Medizin

Hilft gegen alles


Teebaumöl gilt als „kleinste Hausapotheke der Welt“. Doch eine Handvoll Forscher zeigt jetzt die Schattenseiten des Naturprodukts auf. Vor allem Haustiere gefährdet das Öl der australischen Wunderpflanze.

Der Aufstieg des Teebaumöls in den Industrieländern begann vor einem Vierteljahrhundert. Seitdem blühen die Geschäfte der Farmer, die den Teebaum Melaleuca alternifolia in Australien anpflanzen, wo seine Extrakte zuvor schon lange von den Ureinwohnern als Heilmittel verwendet worden waren. Ein Alleskönner soll das Öl aus den Blättern und Zweigspitzen des Teebaums sein, gegen Akne, Warzen, Läuse, Ekzeme, Schuppen, Herpes, Insektenstiche und Nagelpilz helfen. Mittlerweile steckt die Substanz in Shampoos, Massageölen, Gesichtslotionen, Cremes und sogar Zahnpasta.

Welle der Skepsis

Blickt man in die wissenschaftlichen Publikationen des Januar 2014, dann kann allerdings der Eindruck entstehen, dass es sich ein paar Wissenschaftler zur Aufgabe gemacht haben, das saubere Image der „kleinsten Hausapotheke der Welt“ nachhaltig anzukratzen. Die Gesellschaft der amerikanischen Allergologen hat das Öl in ihrem traditionsreichen Organ „Annals of Allergy, Asthma&amp-Immunology“ zum „Allergen des Monats“ erklärt und stellt es damit in eine Reihe mit so bekannten Allergieauslösern wie Birkenpollen und Schimmel in Innenräumen. Tatsächlich kann das Öl der Teebaumpflanze schwere allergische Hautreaktionen auslösen. Auch das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung warnte deshalb schon davor, die Mittel in höheren Konzentrationen als einem Prozent in Kosmetika einzusetzen. Forscher von der Universität Pisa legen in diesen Tagen im Fachmagazin „Parasitology Research“ zudem dar, dass Teebaumöl, das als umweltfreundliches Insektenbekämpfungsmittel gilt, unerwünschte Effekte auf harmlose Wasserbewohner haben kann, wenn man es gegen lästige und gesundheitsgefährdende Mücken in Stellung bringt. Zwar gelang es den Wissenschaftlern, mit Hilfe des Öls Larven der Asiatischen Tigermücke zu beseitigen, die gefährliche Viren überträgt, doch auch der Große Wasserfloh litt darunter, der dieselbe ökologische Nische bewohnt.

Besonders herbe Kritik an der unreflektierten Verwendung des Wundermittels kommt aber von amerikanischen Veterinärmedizinern. Sie sammelten über zehn Jahre Fälle von fast 450 Hunden und Katzen, die mit Teebaumöl in Kontakt gekommen und dadurch massiv vergiftet worden waren. In neunzig Prozent der Fälle hatten die Halter ihre Tiere absichtlich mit dem Mittel besprüht, offenbar, um sie auf „natürliche“ Weise zu entflohen. Die Tiere litten unter Lähmungen und Krämpfen- ihre Entgiftungssysteme sind der Substanz nicht gewachsen. Zugegeben: Es kostet einiges an Überwindung, dem geliebten Hausgenossen die gängigen Pharmaprodukte in den Nacken zu tropfen, die dazu führen, dass das Tier auf Dauer ein Gift absondert, das Flöhen zum Verhängnis wird. Schließlich würde man sich selbst nie auf diese Weise behandeln. Allerdings ist wohl nicht jede „natürliche“ Alternative zur „chemischen Keule“ tatsächlich die bessere Lösung.