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Immer weniger Arbeitslose werden selbständig

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Der drastische Abbau der Gründerförderung zeigt Wirkung: In Deutschland sinkt die Zahl der Existenzgründungen. Die große Koalition erwägt nun eine Änderung des Förderspielraums.

Knapp ein Jahrzehnt nach Einführung der vielbeachteten „Ich-AG“ im Zuge der Hartz-Reformen spielt die Existenzgründerförderung für Arbeitslose in den Instrumentenkästen der Jobcenter und Arbeitsagenturen nur noch eine Nebenrolle. Die Zahl der Hartz-IV-Bezieher, die mit Förderung ihres Jobcenters den Schritt in die Selbständigkeit versuchten, ist seit 2007 um drei Viertel geschrumpft. Nach einer am Montag veröffentlichten Analyse des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) erhielten im vergangenen Jahr nur noch 8.000 Arbeitslose aus dem Hartz-IV-System den Zuschlag für eine Gründerförderung mit dem sogenannten Einstiegsgeld. Das waren 0,4 Prozent der arbeitslosen Hartz-IV-Bezieher.

Ähnlich stark hat sich in den vergangenen Jahren auch die Gründerförderung durch die Arbeitsagenturen – das beitragsfinanzierte System der Arbeitslosenversicherung – verringert. Sie sagten 2012 gerade noch 20.000 Arbeitslosen Unterstützung auf dem Weg in eine geplante Selbständigkeit zu, wie die Statistik der Bundesagentur für Arbeit zeigt. Im Jahr 2010 waren es noch fast 150.000 neue Förderfälle gewesen und bis 2007 sogar jährlich mehr als 200.000.

Hauptgrund für den Rückgang ist nicht sinkender Gründerwille der Arbeitslosen, sondern ein stark verringerter Förderspielraum. Zunächst hatte vor sechs Jahren die damalige große Koalition die gesetzlichen Anforderungen der Förderung und ihre mögliche Dauer deutlich strenger gefasst. Im Jahr 2010 hatte die Koalition aus Union und FDP mit einem Beschluss zur Stabilisierung von Bundeshaushalt und Sozialkassen den Finanzrahmen der Förderung um mehr als drei Viertel gekürzt. Im mehr als 30 Milliarden Euro umfassenden Haushalt der Bundesagentur ist der Posten auf 600 Millionen Euro und damit weniger als ein Fünftel seines einstigen Volumens geschrumpft.

Es ist nicht leicht, die geeigneten Bewerber herauszufiltern

Die Folgen zeigen sich seither auch in einer sinkenden Gesamtzahl an Existenzgründungen in Deutschland. Sie hat 2012 mit 315.000 auf einen Vollerwerb zielenden Gründungen einen Tiefpunkt erreicht, wie der jährliche Bericht der Förderbank KfW dazu zeigt. Bis 2010 hatte sich die Zahl regelmäßig in einer Bandbreite von 400.000 bis 600.000 Gründungen pro Jahr bewegt. Laut KfW zeigt ein Teil der Arbeitslosen jedoch weiterhin einen starken Gründungswillen – die tatsächliche Zahl der Existenzgründungen von Arbeitslosen sei weniger gesunken als die Zahl der Fördergeldbezieher.

Forscher des zur Bundesagentur gehörenden IAB hatten die Wirkung der Gründerförderung für Arbeitslose bereits in früheren Studien insgesamt positiv bewertet. So ermittelte das IAB, dass eineinhalb Jahre nach Förderbeginn noch immer 80 Prozent der Geförderten selbständig waren, ein Drittel gar mit eigenen Angestellten. Der Zeitraum, in dem die Förderung eine dem Arbeitslosengeld vergleichbare Höhe hat, beträgt meist sechs Monate. In ihrer aktuellen Untersuchung zeigen die Forscher jedoch, dass es für die Bearbeiter in den Jobcentern oft schwer ist, die am besten geeigneten Bewerber herauszufiltern, wenn deren Zahl das verfügbare Förderbudget deutlich übersteigt.

In der neuen großen Koalition wollen Union und SPD die Gründerförderung für Arbeitslose wieder stärken. Die Wirtschaftspolitiker haben sogar ausdrücklich für mehr Fördergeld plädiert. Der Koalitionsvertrag sieht vor, die Gründungsberatung für Arbeitslose zu stärken.