Essen & Trinken

Da ist was im Rooibos

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Der Rooibos-Strauch wächst nur in der Halbwüste nördlich von Kapstadt. Kleinbauern produzieren hier Tee aus biologischem Anbau. Touristen können dabei zuschauen.

Maria Syster nimmt die blaue Emaille-Kanne von der Glut, rührt mit einem Holzlöffel und schenkt Rooibos-Tee durch ein feines Sieb in Metalltassen. Sie hat ihn so lange kochen lassen, bis er zu einer dunklen, rostroten Suppe geworden ist. „Er muss stark sein und süß“, sagt sie, reicht mir eine Tasse und gibt drei Teelöffel Zucker in die eigene. Wind rauscht über das Strohdach der Hütte, Sonnenstrahlen fallen durch die halb offene Tür und das kleine Fenster. Maria beginnt Brotteig zu kneten, ich nippe an meinem Tee, er schmeckt kräftig-herb, würzig, ein wenig nach schwarzem Tee, aber erdiger. Wegen des charakteristischen Geschmacks, weil er nicht anregend ist und kaum bittere Gerbstoffe enthält, ist Rotbusch-Tee weltweit gefragt. Hier im Suid Bokkeveld, rund 360 Kilometer nördlich von Kapstadt bei der Kleinstadt Nieuwoudtville, soll einer der besten produziert werden. Kleinbauern pflanzen die Sträucher der Art Aspalathus linearis auf ihren Feldern an, ohne Chemikalien, und verarbeiten den Tee in ihrer Kooperative. Und sie bieten Touristen an, das alles aus der Nähe zu erleben.

Von Kapstadt bin ich in knapp fünf Stunden hierher gefahren, an Clanwilliam und Citrusdal vorbei nach Norden, bis das Grün aus der Landschaft wich und sich nur noch um vereinzelte Wasserläufe drängte. Über dem Vanrhynsdorp-Pass hingen graurote Wolken, als habe der Himmel versucht, die Farben der Erde aufzusaugen. Das Rooibos-Land liegt im Sommer unter einer erbarmungslosen Sonne am Rande des Große-Karoo-Plateaus, häufig schneidet heißer Wind darüber hinweg. Doch der Rotbusch wächst nur hier, in der trockenen Halbwüste, die im September auf einen Schlag lebendig wird. Dann grünt die Natur und blüht gelb, orange, violett, weiß.

Rote Erde, roter Tee

„Es ist wunderschön, wie ein riesiger Teppich aus Blumen, der sich über alles legt“, erzählt Maria. Sie spricht wenig Englisch, verfällt immer wieder in Afrikaans, ich muss ihre Worte oft erraten. Maria ist eine kleine geschäftige Frau, die wie alle hier selbst Rooibos anbaut. Mit mehreren Frauen aus ihrem Dorf Melkkraal hat sie vor rund zehn Jahren begonnen, Touristen zu empfangen. Ihre Gäste können in einfachen Hütten übernachten, Rooibos-Bauern besuchen, zu Felszeichnungen wandern oder die Heilpflanzen kennenlernen, die hier wachsen. Viele kommen auch, um die Wüste blühen zu sehen. Jetzt im April wird der Rooibos geschnitten. Maria legt die fertigen Teigfladen auf einen Rost über der Glut und schenkt Tee nach, wir sitzen neben der Feuerstelle, schauen zu, wie das Brot golden wird, schweigen und trinken Rooibos-Tee.

Bald darauf fahre ich über rote Erde und durch weiße Tore von Farm zu Farm bis zur Heiveld-Kooperative, zu der sich um die 70 Kleinbauern der Gegend zusammengeschlossen haben. Rooibos liegt zum Trocknen auf einer weiten Betonfläche aus, ein rostroter Teppich, der an den Seiten ausfranst. Ein knappes Dutzend Männer und Frauen peitschen mit langen Bambusrohren auf die noch feuchten Häcksel, um sie aufzuwühlen. Ein süßlicher Geruch liegt in der Luft. „So muss es riechen, wenn der Tee schwitzt“, sagt Hannes Koopman, der „Tea Maker“ der Heiveld-Kooperative, ein hagerer Mann um die 60, der für die Produktion verantwortlich ist. Er steht im Schatten bei der Maschine, die Rooibos-Zweige zerkleinert, daneben stapeln sich prall gefüllte Säcke bis unter das Blechdach – die Ernte der vergangenen Wochen. Im Spätsommer kommen jeden Tag Hunderte grüne Rooibos-Bündel von den Bauern. Sie werden gehäckselt, befeuchtet und mit einem Traktor zerquetscht, damit der Zellsaft austritt. In der Sonne „schwitzt“ der Tee anschließend, fermentiert und färbt sich rotbraun wie oxidiertes Eisen, bevor die Arbeiter ihn zum Trocknen ausbreiten. „In Clanwilliam wird der Tee gesiebt, sterilisiert und für den Export verpackt“, sagt Koopman, der seit fast drei Jahrzehnten mit Rooibos arbeitet. Er nimmt einen rußigen Kessel vom Feuer und schenkt sich einen schwarzen Kaffee ein. „Rooibos brühe ich mir nur abends auf, wenn ich von der Arbeit komme, es macht mich glücklich, meinen eigenen Tee zu trinken.“

Jenseits von Schwarz-Weiß

Abraham, einer der Arbeiter, nimmt mich mit zu einigen Rooibos-Pflanzen, die in der Nähe wachsen, struppige Büsche mit rötlichen Zweigen, von denen nadelartige grüne Blättchen abstehen. Mit einer Sichel trennt er die oberen Zweige ab, blitzschnell hat er mehrere Pflanzen abgeerntet und bindet die Zweige zu dicken Bündeln. „Wir nennen sie Stachelschweine“, sagt er und trägt sie zur Häckselmaschine.

Die Bauern der Kooperative ernten jedes Jahr um die 70 Tonnen Rooibos von ihren Feldern und einige Tonnen wilden Rooibos, der vereinzelt zwischen anderen Sträuchern steht- er wird als Premium-Produkt exportiert. Insgesamt werden in Südafrika jedes Jahr um die 12 000 Tonnen geerntet und 7000 ausgeführt. Etwa ein Viertel geht nach Deutschland, wo er mit Vorliebe aromatisiert getrunken wird – in abenteuerlichen Geschmacksrichtungen wie Hibiskus, Pfirsich, Karamell oder Vanille. Doch auch in Südafrika ist der rote Tee in den letzten Jahren von einem Arme-Leute-Getränk zum Trendprodukt avanciert. In teuren Hotels findet man Rooibos-Seife, -Lotion oder -Shampoo im Bad, es gibt Rooibos-Eistee und sogar Rooibos-Espresso. Auch ein grüner Rooibos ist auf dem Markt, unfermentiert und von milderem Geschmack. Marketing-Agenturen zitieren Wissenschaftler, die dem Getränk eine gesundheitsfördernde oder sogar heilende Wirkung bescheinigen, etwa durch Spurenelemente und Antioxidantien. Die Nachfrage steigt seit Jahren, doch gleichzeitig ist die Rooibos-Region durch den Klimawandel von zunehmender Trockenheit bedroht.

Auf der Landskloof-Farm streuen die Brüder Koos und Barry Koopman Rooibos-Samen aus Cola-Flaschen in feuchten Wüstensand, lange Schläuche bringen Wasser, im Juli wollen sie Setzlinge pflanzen. Sie haben die Heiveld-Kooperative vor 13 Jahren mitgegründet, um ihre Ernte nicht länger zu schlechten Preise an große Produzenten verkaufen zu müssen, jetzt sind sie beinahe im Rentenalter, ihre Gesichter liegen unter den weiten Krempen ihrer Hüte im Schatten. „Ich habe schon mit drei Jahren für die weißen Farmer gearbeitet, heute sind sie unsere Nachbarn“, sagt Koos.

Trank der Ahnen

„Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich einmal selbst eine Rooibos-Farm besitzen und die Ernte ohne die großen Unternehmen verkaufen würde.“ Nach dem Ende der Apartheid haben sie gemeinsam einen Bankkredit aufgenommen und Land gekauft, sie bezahlen ihn bis heute mit den Erlösen aus der Heiveld-Kooperative ab. Als alle Samen in der Erde stecken, gehen wir zurück zum Haus, ein Vogel Strauß steht vor uns auf dem Weg und stürmt dann davon. Im kühlen Wohnzimmer bietet Koos Rooibos-Tee mit Honig an, biologisch angebaut, wie er betont. „Wir haben ein höheres Risiko als die großen Produzenten, weil wir keine Chemikalien einsetzen, aber dafür können wir stolz sein auf unser Produkt“, sagt Koos. „Wir respektieren den Rooibos, wie er ist.“

Am Nachmittag laufe ich mit Maria Syster durch Melkkraal, vorbei an kleinen Rundhütten aus gelbem Stein, auf denen spitze Strohdächer sitzen – man kann sie kaum von den Steinen und Sträuchern der Landschaft unterscheiden. Wir folgen einem trockenen Flusslauf und kommen zu einem Wasserbecken. Unter einem Felsvorsprung sehen wir Zeichnungen der San, der Ureinwohner dieser Region. Die Bilder zeigen Menschen mit Pfeil und Bogen, Elefanten, Löwen und Antilopen, die wie Geister über ihnen schweben, ein roter Schwimmer in der Wüste. Die San-Jäger haben den Rotbusch vermutlich als Heilpflanze verwendet, ihre Nachfahren haben ihn zu Tee aufgebrüht, damit zu handeln begann ein russischer Einwanderer zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Maria zeigt auf ein rotes Quadrat. „Vielleicht haben sie ihn doch getrunken“, sagt sie. Ich rätsele weiter, sehe Heiler und geometrische Figuren, aber keine Tassen.

Abends sitzen wir in der Rundhütte an der Feuerstelle, auf dem Grill liegen Koriander-Bratwürste und große Stücke vom Hammel. Marias Freundin Tempes ist zu Besuch gekommen, die alte Dame trägt ein Kopftuch in den Farben der südafrikanischen Flagge, ihr Gesicht ist von tiefen Falten zerfurcht. Es gibt wieder Rooibos, was sonst. Ich habe mich schon daran gewöhnt, kaum etwas anderes zu trinken. „Er macht hungrig“, sagt Tempes. „Säuglinge bekommen Rooibos, wenn sie keine Milch trinken wollen – bei Erwachsenen funktioniert es genauso.“ Maria serviert das Grillfleisch mit Bohnen und Maisbrei, eine üppige Portion für Teetrinker. Bald darauf versinkt Melkkraal in der Dunkelheit, die Menschen ziehen sich zurück in ihre Hütten, der Sternhimmel spannt sich in atemberaubender Klarheit von Horizont zu Horizont. Maria stellt mir noch eine Thermoskanne Rooibos-Tee hin, für die Nacht.