Europäische Union

EU vereinfacht grenzüberschreitende Ermittlungen

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Zeugenbefragungen oder Hausdurchsuchungen in anderen EU-Staaten sollen künftig automatisch genehmigt und ausgeführt werden. Darauf haben sich das Europäische Parlament und der Ministerrat in Brüssel geeinigt.

In der EU kann die Justiz künftig Zeugenbefragungen oder Hausdurchsuchungen in anderen Mitgliedstaaten veranlassen. Der Ministerrat und das Europaparlament einigten sich in Brüssel auf die Einführung einer sogenannten „Europäischen Ermittlungsanordnung“, die die grenzüberschreitende Strafverfolgung erleichtern soll.

Damit kann künftig zum Beispiel ein deutscher Staatsanwalt eine Telefonüberwachung eines Verdächtigen in Portugal anordnen, die dann von den portugiesischen Behörden weitgehend automatisch vorgenommen werden muss. Die Richtlinie muss noch formal von den Mitgliedstaaten und dem Plenum des Parlaments gebilligt werden, was bis Februar geschehen soll. Sie dürfte etwa zwei Jahre danach in Kraft treten.

Initiative von sieben EU-Staaten

Der Vorschlag für die Ermittlungsanordnung kam nicht wie sonst in der EU von der Kommission, sondern von sieben Mitgliedstaaten (Belgien, Bulgarien, Estland, Spanien, Österreich, Slowenien und Schweden). Auch die Bundesregierung unterstützte das Vorhaben. Die Anordnung soll in Strafverfahren zur Anwendung kommen oder bei Verwaltungsangelegenheiten, die eine strafrechtliche Dimension haben. Die Grundidee lautet, den Aufwand der heute zwischen den EU-Ländern praktizierten Rechtshilfe durch die Einführung eines Automatismus zu begrenzen.

Derzeit muss jedes EU-Land eine Bitte um Ermittlungshilfe noch einmal selbst prüfen, und die Justiz des ausführenden Landes muss eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit treffen. Das entfällt künftig, so dass etwa die deutsche Polizei automatisch einen Verdächtigen observieren muss, wenn ein Staatsanwalt in Spanien das anordnet. Im Brüsseler Gesetzgebungsverfahren ging es vor allem darum, unter welchen Voraussetzungen eine solche Anordnung vom ausführenden Land doch noch abgelehnt werden kann. Der Ministerrat hatte schon Ausnahmen für den Fall vorgesehen, dass die nationale Sicherheit betroffen ist oder Schutz vor Strafverfolgung besteht, etwa für die Medien.

Grundrechte sollen gewahrt bleiben

Am Schluss einigte man sich auf eine „Grundrechteklausel“, wonach eine Ermittlungsanordnung im ausführenden Staat abgelehnt werden kann, wenn sie die Grundrechte der betroffenen Person nach der EU-Grundrechtecharta und dem EU-Vertrag beeinträchtigen könnte. Für eine solche Klausel hatten sich viele Abgeordnete eingesetzt, unter anderem der deutsche Grüne Jan-Philipp Albrecht. Auch die Kommission hatte einen stärkeren Schutz der Grundrechte gefordert.

Der federführende Abgeordnete, der portugiesische Christdemokrat Nuno Melo, sagte, die Positionen der Mitgliedstaaten und des Parlaments hätten in dieser Frage nicht weit auseinander gelegen. Beide Seiten hätten die gleichen Bedenken gehabt, aber unterschiedliche Lösungen vorgeschlagen. „Herausgekommen ist ein sehr ausgeglichenes Instrument.“ In der Diskussion spielten die teilweise schlechten Erfahrungen eine Rolle, die mit dem sogenannten „Europäischen Haftbefehl“ gemacht wurden. Das ist ein ähnliches Instrument, das schon seit 2007 besteht. Es gestattet der Justiz, Verdächtige in einem anderen EU-Land festnehmen zu lassen.

Missbrauch in einigen Mitgliedstaaten

Die Kommission hatte hier vor zwei Jahren feststellen müssen, dass manche Mitgliedstaaten diese Möglichkeit missbrauchen, indem sie systematisch Europäische Haftbefehle gegen Personen ausstellen lassen, die nur sehr geringfügiger Vergehen beschuldigt wurden. Das geschah offenbar vor allem in Polen. Auch Rumänien wies eine auffallend hohe Zahl an Haftbefehlen in anderen EU-Ländern aus.

Die Ermittlungsanordnung wird in allen Mitgliedstaaten außer Dänemark eingeführt, das an der europäischen Justizzusammenarbeit grundsätzlich nicht teilnimmt. Großbritannien will sie einführen, Irland prüft das noch. Im Europaparlament wird eine große Mehrheit erwartet, da Verhandlungsführer aller politischen Gruppierungen an der Kompromisssuche beteiligt waren.