Ausland

Die Hardliner bleiben

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In Afghanistan hat Iran schon gezeigt, dass es für Amerika ein zuverlässiger Partner sein könnte. Was die Aufwertung Irans für die arabischen Nachbarn nun bedeutet. Eine Analyse.

Bei den Verhandlungen um sein Atomprogramm wird die iranische Führung vor allem von zwei Motiven getrieben: Teheran will die drückenden Sanktionen loswerden, und es will nicht länger als „Schurkenstaat“ behandelt werden. Wenn es diese Ziele erreichte, wäre das wertvoller als der Besitz der Atombombe. Denn Iran will nicht auf Dauer im gleichen Atemzug mit Nordkorea genannt werden, will in die Staatengemeinschaft zurückkehren.

Unter dem Präsidenten Mahmud Ahmadineschad, dessen zweite Amtszeit am 3. August 2013 endete, war das nicht möglich gewesen. Mit dem neuen Gespann Hasan Rohani und Außenminister Mohammad Dschawad Zarif kommt Iran den beiden Zielen nun aber näher. Falls eine dauerhafte Übereinkunft zustande käme, könnte Iran wieder ein zuverlässiger Partner in der internationalen Politik werden. Dass dies im Prinzip möglich ist, hat Teheran bei der lange geheim gehaltenen Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten zur Stabilisierung Afghanistans gezeigt.

Die Vereinigten Staaten hatten sich in der Vergangenheit einige Jahrzehnte lang im Nahen Osten vor allem auf zwei Partner gestützt: Israel und das Iran der Pahlewi-Schahs. Als Iran 1979 nach der Revolution und der Geiselnahme in der amerikanischen Botschaft in Teheran als Stütze wegbrach, übernahm der damalige Juniorpartner Saudi-Arabien dessen Rolle. Falls Iran nun seine alte Bedeutung für Amerika wieder erlangte, würde das an Israels Stellung im Verhältnis zu Washington nichts ändern – unabhängig vom gestörten Verhältnis zwischen Präsident Barack Obama und Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Ändern würde sich indes die Rolle Saudi-Arabiens, das nicht mehr der tragende Pfeiler von Amerikas Politik am Golf und darüber hinaus wäre. Zwar würden die Vereinigten Staaten Saudi-Arabien nicht fallen lassen. Interessant wäre für diesen Fall allerdings, was der Westen Saudi-Arabien im Gegenzug anbieten wird, um den Groll der dortigen Elite zu besänftigen. In Frage kommen könnte zum Beispiel eine Sicherheitsgarantie.

Das hegemoniale Gehabe Irans wird zunehmen

Es gibt nämlich ein Problem. Iran kann zwar, sollte aus der Übergangsregelung eine dauerhafte Übereinkunft werden, daran gehindert werden, eine Atombombe zu bauen. Intakt bliebe aber in jedem Fall die konventionelle Hochrüstung Irans. Nicht angetastet werden etwa die Raketenprogramme, die die arabischen Nachbarn als Bedrohung empfinden. Kontrolliert werden diese Waffenarsenale von den Hardlinern des Regimes, von den Revolutionswächtern. Keine Übereinkunft in Genf kann etwas an der Existenz dieser Hardliner ändern. Wenn man also verhindern könnte, dass Iran nuklear bewaffnet ist, wäre dies ein Gewinn an Sicherheit.

Es bliebe aber trotzdem ein Risiko. Dieses wiegt für Länder wie Saudi-Arabien schwerer als für Amerika. Denn die Abhängigkeit der Vereinigten Staaten vom Erdöl der Golfstaaten wird im Zuge der amerikanischen Energierevolution abnehmen. Amerika wird aber weiter darauf achten, dass das Erdöl aus der Golfregion frei auf die Weltmärkte fließt. Washington könnte zu diesem Zweck sowohl Saudi-Arabien als auch Iran mit der Aufgabe betrauen, gemeinsam für die Sicherheit an und in der Meerenge von Hormuz zu sorgen. Iran wird aber wohl nicht mehr in seine frühere Rolle als „Polizist“ am Golf zurückkehren.

Iran will Atomabkommen in Kürze umsetzen

Das hegemoniale Gehabe Irans, das sich auf eine kulturelle Überlegenheit gründet, wird aber voraussichtlich weiter zunehmen. Das aber kann den Monarchen auf der Arabischen Halbinsel nicht gefallen. Den schiitischen Minderheiten in Saudi-Arabien und Kuweit sowie der schiitischen Mehrheit in Bahrain würde eine stärkere Stellung Irans indes Auftrieb verleihen. Die verängstigten sunnitischen Muslime dieser Länder könnten sich dann aus Furcht vor den Schiiten in ihren Ländern gegen mehr Rechte für diese stellen. Somit könnte der Aufstieg Irans die Reformbereitschaft der Golfmonarchien eher schwächen als stärken.

Ägypten und Saudi-Arabien bleiben weiter schwach

In der gesamten arabischen Welt heizt zur Zeit das Zusammenwirken von zwei Konfliktebenen die Gewalt an: Der Umbruch in einzelnen Ländern, der verbunden ist mit Instabilität und Krieg, wird verschärft durch den regionalen Machtkampf zwischen Saudi-Arabien und Iran. Das Eingreifen der jeweiligen Schutzmächte Sunniten beziehungsweise Schiiten befeuerte die Konfessionalisierung der Konflikte, die in einen langen Konflikt zu münden drohen. Das gilt vor allem für Länder wie den Irak, Syrien und Libanon.

Ein „neues“ Iran könnte aber in zwei Konflikten auf seine Verbündeten, die manche auch als seine Stellvertreter bezeichnen, einwirken: auf den syrischen Machthaber Baschar al Assad, damit er für eine politische Lösung auf seine Gegner zugeht, und auf die Hizbullah, damit sie von ihrem Krieg gegen Israel lässt. Einfügen würde sich diese Konstellation in die neue amerikanische Nahost-Politik. In ihr genießen Iran, Syrien und der Palästinakonflikt Priorität. Dabei geht es nicht mehr, wie noch unter Präsident George W. Bush, um Freiheit und Demokratie für diese Länder.

In der islamischen Welt wäre eine Aufwertung Irans Symbol für die gewachsene Rolle der schiitischen Muslime. Seit dem 12. Jahrhundert und seit Saladin, der in Ägypten die schiitischen Fatimiden besiegt hatte, hatten die sunnitischen Muslime ihre schiitischen Glaubensbrüder zurückgedrängt. Erst mit der Revolution 1979 in Iran und dem Aufstieg schiitischer Gruppierungen im Irak nach dem Sturz Saddam Husseins waren sie erstmals seit Jahrhunderten wieder als politische Akteure auf dem Vormarsch. Eine Einigung über Irans Atomprogramm und eine Rückkehr Irans in den Kreis der angesehenen Nationen würde diese Stellung festigen. Das ist auch eine Folge davon, dass die beiden wichtigsten sunnitischen Staaten der arabischen Welt, Ägypten und Saudi-Arabien, außenpolitisch weiter schwach sind und keine Kraft haben zu gestalten.