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Saboteure, Klimamodelle, Sonnenschwäche

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Was macht eigentlich die Apokalypse? Unser Glossenticker mit ernsten Nachrichten zum Klimawandel und ihren (weniger ernsten) Pointen. Ein Update zu hochaufgelösten Modellen, zum Klimagipfel und zu einer neuen Sonnenstudie.

+++ 21. November. Die Klimazukunft Europas ist so detailliert wie noch nie vorhergesagt worden, und sie zeigt vor allem eins: „Das Wetter in Europa wird extremer“. So schreibt das Climate Service Center des Helmholtz-Zentrums Geehthacht nach der Publikation von zwei neuen Klimastudien des EURO-CORDEX-Projektes (hier und hier). Die Ergebnisse, die das Team um CSC-Forscherin Daniela Jacob zusammen mit Andreas Gobiet von der Universität Graz erzielt hat, sind zwar alles andere als überraschend- dass der Süden Europas häufiger Dürren und der Norden vor allem nasser und im Winter erheblich wärmer werden dürfte, ist nicht neu. Allerdngs geben die Regionalmodelle jetzt Prognosen mit einer nie erreichten räumlichen Auflösung von zwölfeinhalb Kilometern wieder. Zum Vergleich: Die vom Weltklimarat verwendeten globalen Klimamodelle erreichen eine Auflösung von 100 bis 200 Kilometer. Dass die hochaufgelösten Modelle etwas taugen, lässt sich nach Überzeugung der Forscher aus dem Vergleich mit Beobachtungsreihen ablesen. Basis sind hundert Simulationen mit zehn verschiedenen Regionalmodellen. Die Hitzewellen von 2003 und 2006 seien verlässlich simuliert worden. „Mit einem immensen Rechenaufwand, der über einen Zeitraum von drei Jahren mehrere zehn Millionen Rechenstunden auf Hochleistungsrechnern erforderlich machte, konnten die Klimaforscher nun auf der Basis dieser hoch aufgelösten Klimasimulationen wesentliche Änderungstrends des Klimas in Europa simulieren„, schreibt das CSC stolz Rekordverdächtig ist auch die persönliche Klimabilanz. Für die erforderliche Kühlung der Hochleistungsrechner hat das Forscherteam weniger als zehn Mikrogramm Kohlendioxid pro Kopf und Stunde erzeugt. Das ist Weltrekord. Damit ist man unter dem Schwellenwert für freiwillige Klimaschutzspenden geblieben und muss auch kein einziges Bäumchen im Vorgarten anpflanzen. +++

+++ 21. November. Der Klimagipfel in Warschau steht jetzt ganz im Zeichen des Dollars. Milliardensummen werden gefordert, versprochen, verschoben, verplant oder abgelehnt. Zu den Zahlen, die zirkulieren, gehören auch die des Overseas Development Institute ODI und der Internationalen Energieagentur IEA. In beiden Berichten geht es um die Subventionen für die fossile Energiewirtschaft, also um direkte oder indirekte Beihilfen der Staaten für die Öl-, Kohle- und Erdgaswirtschaft. 2011 flossen dem IEA zufolge mehr als eine halbe Billion Dollar, also 5000 Milliarden, an Subventionen in die treibhausgasproduzierenden Sektoren. Allein die elf Länder mit den höchsten Kohlendioxidemissionen unterstützten die Branche mit 74 Milliarden Dollar in einem Jahr, vornehmlich etwa durch Steuerbefreiungen und Investionsbeihilfen, hat das ODI berechnet. Als da wären an der Spitze: Russland, USA, Australien, Deutschland (mit 2,5 Milliarden Kohlebeihilfen allein) und Großbritannien. Was dagegen getan wird? Der Preis für Kohlendioxidemissionen innerhalb der Europäischen Union ist im Gegenzug auf einen so niedrigen Preis (teils unter 7 Dollar pro Tonne) gefallen, dass der in Kopenhagen vor vier Jahren versprochene Subventionsabbau kaum greift. Anreize für Emissionsreduktionen – Fehlanzeige. Von „perversen Anreizen“ ist in dem Bericht die Rede. Unter dem Stadion von Warschau, in dem sich die Regierungsdelegierten treffen, ist inzwischen ein Geheimgang entdeckt worden, den die polnische Regierung von den Kohlekumpels aus Kurnow hat graben lassen. In den unterirdischen Gängen treffen sich jeden Abend nach den Verhandlungen Abordnungen der Klimaschutz-Sabotageländer, um das weitere Vorgehen zu planen. Grubengasbehälter wurden in den Kavernen aufgestellt. Im Falle ernstzunehmender Fortschritte hin zu einem neuen Klimaschutzvertrag sollen sie gezündet werden, um den ganzen Komplex hochgehen zu lassen. +++

+++ 15. November.Das Ziel einer globalen Erwärmung von maximal 2 Grad ist langfristig durchaus noch zu vertretbaren Kosten erreichbar. Dazu wäre aber ein Klimavertrag nötig, der dafür sorgt, dass spätestens ab 2020 die Emissionen an Triebhausgasen sinken. Elmar Kriegler vom Potsdam-Institut für
Klimafolgenforschung (PIK) hat sich in einem Beitrag für ein Spezialheft von „Climate Change Economics“ zusammen mit Kollegen der Fondazione Eni Enrico Mattei mit den Zielen der sogenannten Durban-Plattform beschäftigt. Zahlreiche Klimaschutz-Szenarien wurden durchgespielt. Seine Warnung an die Teilnehmer der Klimakonferenz in Warschau: „„Bleiben die Emissionsreduktionen auf ihrem derzeitigen moderaten Niveau, könnte eine Verzögerung um weitere 10 Jahre die ökonomischen
Herausforderungen wesentlich verschärfen“ Gleichzeitig lässt die Studie ein paar Hintertürchen offen. Kriegler nennt das eine „gewisse Flexibilität“ bei der Umsetzung eines globalen Klimaabkommens zum 2-Grad-Ziel. In der Sprache des Klimaökonomen: „Um das Ziel in Emissionsreduktionen zu übersetzen, muss die Wahrscheinlichkeit für ein temporäres Überschreiten der 2-Grad-Marke als
Grenzwert definiert werden. Die Wahl dieses Grenzwertes kann einen signifikanten Effekt auf die Anforderungen langfristiger Emissionsreduktionen und ökonomischer Folgen haben.“ Kriegler und sein Team denken etwa daran, irgendwann im Laufe des Jahrhunderts mit Hilfe von Maßnahmen wie der Biomasseproduktion durch „Carbon Capture and Storage“ (CCS) Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entnehmen. Pflanzen sollen in Biogasanlagen verarbeitet und die klimawirksamen Gase im Untergrund eingelagert werden. Mit anderen Worten: Ein Erfolg der Klimaverhandlungen ist absolute Pflicht. Für CCS darf auch die 2-Grad-Marke geopfert werden – „zumindest vorübergehend“, wie es heißt. Polen jubelt. Für die kohlemächtige Nation ist das der Kniefall der Utopisten vor dem eigenen Klimarealismus. Ostpolen mit seinen riesigen Brachflächen ist ein florales Eldorado für Klimaschutzprojekte solcher Art. Dem Chef von Kriegler, Hans Joachim Schellnhuber, Vordenker des europäischen Klimaschutzpolitik, winkt die Ehrenbürgerschaft Warschaus. +++

+++ 15. November. Der Amazonas-Regenwald ist möglicherweise widerstandsfähiger gegen Austrocknung als bisher angenommen. Anna Harper von der University of Exter hat in ihrem Klimamodell gezeigt, wie das geht: Je ungestörter ein Regenwaldgebiet ist, desto stabiler bleibt die Fähigkeit der Bäume auch bei Trockenperioden erhalten, die Flüssigkeit, die aus dem Boden entnommen wird, zu recyceln. Die Selbstversorgung mit Wasser sei dadurch in Trockenzeiten um gut ein Viertel verbessert. Wie die Forscherin in der Zeitschrift „Journal of Climate“ schreibt, hat sie „unrealistischen Wasserstress“ entfernt, wie er durch die entsprechenden Algorithmen in den bisher verwendeten Vegetationsmodellen enthalten sei. Das Aufatmen in Brasilia war bis nach Europa zu vernehmen.Die Regierung ist nun fest entschlossen, das wertvolle Recyclingwasser sinnvoll zu verwenden und die noch wertvolleren Zuckerrohrfelder durch ein „smart grid“-Schlauchsystem an die natürliche Wasserrückgewinnung im Urwald anzuschließen. +++

+++ 13. November. Das laufende Jahr ist auf dem besten Weg, in die Top-Ten-Liste der historisch wärmsten Jahre aufgenommen zu werden. Die ersten drei Quartale liegen mit 0,48 Grad Erwärmung, verglichen mit den entsprechenden Abschnitten im Vergleichszeitraum 1961 bis 1990, auf Höhe des Wertes von vor zehn Jahren. Das hat die Weltmeteorologie-Behörde WMO den Teilnehmern des neunzehnten Klimagipfels in Warschau mitgeteilt. Die größte Hitze wurde in diesem Jahr in Australien gemessen. Was den verheerenden Taifun „Haiyan“ angeht, sagte WMO-Generalsekretär Michel Jarraud: Obwohl einzelne Zyklone wie dieser nicht direkt dem Klimawandel zugeschrieben werden können, machen steigende Meerespegel die Küstenbevölkerung anfälliger für Sturmfluten. Das haben uns die tragischen Folgen auf den Philippinnen gezeigt.“ Was der Chef der Meteorologie-Behörde hoffentlich nicht damit meinte: Was kann der Sturm dafür, wenn die Hütten am Wasser stehen? Sein dramatischer Appell, die Ausbreitung der Weltmeere auf dem Planeten zurück zu drängen, ist in Warschau bisher ungehört verhallt. +++

+++ 12. November. Die jüngste globale Erwärmung ist zu höchstens 14 Prozent auf die Veränderungen der Sonnenaktivität zurück zu führen. Lediglich 0,07 von 0,5 Grad Erwärmung seit den fünfziger Jahren soll auf das Konto der natürlichen Strahlungsveränderungen gehen, der Rest ist nur mit der Wirkung der zusätzlichen Treibhausgase in der Atmosphäre zu erklären. Davon sind jedenfalls zwei britische Hochenergie-Physiker überzeugt, die einen Beitrag zu einer Aufsatzsammlung über Hochenergieteilchen und Erdatmosphäre in der Zeitschrift „Environmental Research Letters“ verfasst haben. Nach der Rekonstruktion von kosmischer Strahlung und Energieproduktion auf unserem Zentralgestirn kommen sie zu dem Schluss, dass weder die Strahlung selbst noch die Wolkenbildung entscheidend zu den veränderten Energiebilanzen auf der Erde beigetragen haben könnten. Terence Sloan und Sir Arnold Wolfendale von der Durham University schreiben, dass zusammen „mit vielen anderen Untersuchungen der Beitrag der Sonnenaktivität zum Klimawandel im zwanzigsten Jahrhundert entweder auf direktem Wege, über die kosmische Strahlung oder sonst wie nicht mehr als zehn Prozent betragen kann“. Das ist wirklich wenig. Fritz Vahrenholz, der heißeste Advokat einer „kalten Sonne“, hat vorsorglich Anwälte eingeschaltet, um gegen verunglimpfende Interpretationen vorzugehen. Seine Theorie, wonach die Erwärmung zu einem großen Teil auf die Sonnenaktivität zurückzuführen sei, werde von einer breiten Mehrheit im Volk getragen, 135 Kundenrezensionen auf Amazon und 3,8 Sterne seien starke Argumente für seine Klimaprosa. +++