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„Männern geht es um den Menthol-Effekt“

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Joanne Crewes, Präsidentin für Global Prestige bei Procter & Gamble, über die Parfum-Kenntnisse der Lateinamerikaner, die Schenkungs-Praktiken der Chinesen und die Makellosigkeit der Koreaner.

Frau Crewes, Sie müssen es wissen: Inwiefern nehmen die Kunden in unterschiedlichen Märkten das Thema Schönheit auch unterschiedlich wahr?

So verschieden sind die Kunden in den Märkten gar nicht. Wir sehen sehr viele Gemeinsamkeiten, was ihre Hoffnungen und Träume angeht, die sich in den Erwartungen an unsere Produkte widerspiegeln. Wie sich die Märkte entwickeln, ist aber radikal unterschiedlich. In Lateinamerika zum Beispiel werden sehr viele Beauty-Produkte verwendet, vergleichbar übrigens mit China. Die Gründe dafür sind aber verschieden. In Lateinamerika hat das mit den Lebensgewohnheiten zu tun, dass man zum Beispiel ständig draußen ist. In China hingegen geht es eher um den Status.

Da Sie von Status sprechen: Wie konnte ein Hautprodukt wie SK-II, das ursprünglich über keinen großartigen Namen verfügte, zum meistverkaufen Produkt in Asien werden?

Im Jahr 1981 war SK-II wirklich ein unberührter Juwel mit nur wenigen 100.000 Kunden. Aber die waren unheimlich loyal. Der Wirkstoff war ursprünglich von einem Wissenschaftler in einer Sake-Brauerei entdeckt worden. Die Haut auf den Händen der Frauen, die dort gearbeitet hatten, sah selbst im Alter von 80 Jahren noch aus wie die von Babys. Überhaupt galt die Haut von Japanern damals als Schönheitsideal. Also sind wir damit als nächstes nach Korea gegangen, dann nach Singapur und schließlich nach China.

Asiatisch geprägte Hautpflege spielt nun auch im Westen eine Rolle. Bei Düften scheint es aber anders zu sein. Kann ein altes europäisches Modehaus einen Traum immer noch besser in ein Parfum verpacken als vielleicht eine kleine Marke aus Asien?

Die Verbindung zur Mode ist, wenn es um Düfte geht, sehr wichtig. Das Parfum lässt einen an einer Marke teilhaben, es sagt etwas über sie aus und spiegelt den Status des Kunden wider. Schauen wir uns ein Parfum wie Gucci Guilty an, das eine sehr enge Bindung zur Stärke und Sinnenfreude der Zielgruppe hat. So etwas ist gerade in China sehr wichtig, wo Gucci die Nummer drei unter den Luxusmarken ist.

Sie haben schon mal selbst Parfum verkauft, in der Beauty-Abteilung des Londoner Kaufhauses Harrods.

Das war im Dezember 2011. Die Beautyberaterinnen dort sind ja makellos, und dann kam ich. Ich war fast ein bisschen eingeschüchtert.

(Die Kommunikationschefin mischt sich ein: Wir waren alle über London verteilt. Ich war zum Beispiel in einer Filiale der Drogeriekette Boots an der Oxford Street. Wir hatten den kleinen Wettkampf, wer am besten abschneiden würde. Und wer hat gewonnen? Madame!)

Wie kam es?

Ich hatte einen kleinen Vorteil: Ich war im Harrods, vor Weihnachten, es war absolute Rush Hour, und da lagen diese tollen Geschenke-Sets. Es war spannend zu sehen, wie die Kunden auf das Parfum reagierten.

Und, wie viel haben Sie verkauft?

Viel. Es waren 1300 Pfund in etwas unter drei Stunden. Aber wir haben dann irgendwann aufgehört zu zählen.

Haben sich die Fragen dort unterschieden, je nachdem, woher die Kunden kamen?

Es war ganz witzig, da kam dieses junge chinesische Ehepaar, das gerade in den Flitterwochen war. Er hat etwas für ihre Mutter gesucht, was ja wirklich nett ist. Es musste etwas sein, was nicht zu stark war, so angemessen also, dass sie es ihren Freundinnen präsentieren konnte. Geschenke von Reisen mitzubringen ist in China sehr wichtig, weshalb uns das tax free shopping viel Umsatz einbringt. Oder da kamen diese zwei Männer aus Lateinamerika. Die fanden sich schon ziemlich genau zurecht. Wie sie die unterschiedlichen Düfte auf den Teststreifen durchprobierten … Ich hatte bis dahin angenommen, dass die meisten Männer noch nicht einmal von der Existenz dieser Teststreifen wussten. Die beiden suchten nach einem leichten Zitrusduft, und den bekamen sie am Ende auch.

Immer wieder wird behauptet, Männer würden sich nun stärker Schönheitsprodukten zuwenden. Stimmt das überhaupt?

Doch, das stimmt. Es hängt aber vom Markt ab. Ich habe zum Beispiel noch nie ein Land erlebt, in dem die Menschen mehr auf ihre Haut achten als in Südkorea, und das gilt besonders für die Männer. Als wir dort vor einigen Jahren SK-II für Herren lancierten, war das Produkt innerhalb von vier Tagen ausverkauft.

Woher kommt das Interesse?

Makellose Schönheit ist für sie ein Zeichen von Erfolg. Aber prinzipiell gilt: Männer wenden sich mit exponentiellen Zuwachsraten der Schönheit und ihren Produkten zu. Unterstützt wird dieser Trend durch das Internet, dem Männer oft noch näher sind als Frauen. So müssen sie heute nicht mehr an den Beauty-Tresen, der mit einem Stigma belegt ist. Sie können sich das Produkt einfach im Netz aussuchen und online bestellen.

Ohne beraten zu werden.

Eines unserer Segmente mit dem größten Wachstum ist der Verkauf von Produkten auf Reisen- natürlich sind die Chinesen und Japaner ganz vorne mit dabei. Zwei Drittel dieser Kunden sind Männer.

Glauben Sie, das hat etwas damit zu tun, dass Männer preissensibler sind und deshalb schneller im Duty Free zuschlagen?

Es kommt darauf an, für wen sie kaufen. Prinzipiell gilt aber, dass Männer nach dem sofortigen Nutzwert suchen. Frauen sind geduldiger, wenn es um längere Zeiträume geht. Männern geht es um die schnelle, kühlende Wirkung, den Menthol-Effekt.

Erklärt das auch, warum Männer, zumindest im Westen, eher ein Parfum als eine Hautpflegeserie kaufen? Das Parfum zeigt ja sofort Wirkung.

Vielleicht ja. Aber auch in dieser Hinsicht wird sich in Zukunft viel ändern, da bin ich mir sicher.