Wirtschaft

Arbeitgeberpräsident irritiert die Kanzlerin

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Die erste offizielle Begegnung zwischen der Kanzlerin und dem neuen Arbeitgeberpräsidenten Ingo Kramer war nach dem Eindruck vieler Zuhörer unerwartet schroff.

Auf der Verabschiedungsfeier für seinen Amtsvorgänger Dieter Hundt am Montagabend hatte Kramer der Kanzlerin zwar zugerufen, dass sie insgesamt „sehr gut“ regiere- ungeachtet der feierlichen Stimmung sprach er aber auch die Sorgen der Arbeitgeber angesichts der vielen Ausgaben- und Regulierungswünsche der geplanten großen Koalition deutlich an.

„Bestellen Sie bitte nichts, was Sie nicht bezahlen können“, sagte er. Merkel kommentierte dies in ihrer Grußrede mit der im Ansatz missbilligenden Bemerkung, Kramer gebe sich für einen Amtsneuling doch „sehr selbstbewusst“. Die Kanzlerin warb vor den Vertretern der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) vor allem um Verständnis für den von vielen sozialdemokratischen Themen geprägten Verlauf der Koalitionsverhandlungen: Aus den gegebenen politischen Mehrheitsverhältnissen folge nun einmal ein Auftrag an Union und SPD, und auch daraus könne etwas „Vernünftiges“ entstehen.

Vollbeschäftigung sei mit den derzeitigen Versprechen nicht zu erreichen

Im Übrigen sei in der deutschen Wirtschaft aus vielen Flexibilisierungen des Arbeitsmarkts „Missbrauch entstanden“, und dies beschwöre leider die Gefahr herauf, dass „alles wieder reguliert wird“. Kramer, der von den Verbändevertretern einstimmig ins Amt gewählt worden ist, zeigte indes auch am Dienstag, dass er dieses Votum als Auftrag versteht, den Sorgen der Unternehmen deutlich Gehör zu verschaffen. In seiner Grundsatzrede auf dem Deutschen Arbeitgebertag führte er – diesmal im Beisein von Joachim Gauck – zuvor nur kurz skizzierte Bedenken weiter aus: Eine große Koalition habe die große Möglichkeit, sich für die nächsten vier Jahre das Ziel der Vollbeschäftigung zu setzen, sagte er.

Wer milliardenschwere Rentenpakete, höhere Sozialabgaben und einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro verspreche, solle jedoch „ehrlich sagen, dass Beschäftigungssicherung auf dem heutigen Niveau oder gar Vollbeschäftigung damit nicht zu erreichen sind“, mahnte er. Zugleich wertete Kramer die Tatsache, dass Arbeitsgerichte zuweilen Unternehmen etwa wegen unzulässiger Werkverträge verurteilten, als klaren Beleg dafür, dass es bereits wirksame Gesetze gebe. Neue Regulierungen seien, zumal in Verbindung mit den Risiken der Energiepolitik, eine Gefahr für den Investitionsstandort.

„Zurück zur Massenarbeitslosigkeit“

Schon heute deute sich an, dass Unternehmen Investitionen „unmerklich und leise“ stärker zu ausländischen Standorten lenkten. Von anderer Stelle in der Union erntete Kramer am Dienstag klaren Zuspruch für sein Argument: Der CDU-Wirtschaftsrat wandte sich mit einem Aufruf gegen einen einheitlichen Mindestlohn an die Koalitionsunterhändler von Union und SPD. „Ein Zurück zu einem zubetonierten Arbeitsmarkt bedeutet auch ein Zurück zur Massenarbeitslosigkeit“, warnt der Generalsekretär des Wirtschaftsrats, Wolfgang Steiger, in dem Positionspapier.

Vor allem richte sich ein Mindestlohn von einheitlich 8,50 Euro gegen Beschäftigte in den östlichen Bundesländern – er sei ein „Rezept für den Jobkahlschlag Ost“. Die Verhandlungsspitzen von Union und SPD seien daher dringend aufgefordert, bei einer Einführung von Lohnuntergrenzen Spielraum für regionale und branchenbezogene Unterschiede zu lassen, so Steiger.

Die SPD pocht darauf, dass die geplante Mindestlohnkommission keine Differenzierungen beschließen darf. Einzelheiten der Koalitionsvereinbarung dazu werden voraussichtlich in der kommenden Woche unter den Parteivorsitzenden geklärt.

Bundespräsident Gauck, der auf dem Arbeitgebertag erstmals die Eröffnungsrede hielt, vermied zwar jegliche Parteinahme in der sogenannten Gerechtigkeitsdebatte. Er sprach den Arbeitgebern jedoch Mut zu, ihre Kritik an „Trägheiten“ in der Politik deutlich zu äußern. „Das Votum gegen die Trägheit möchte ich ausdrücklich unterstützen“, sagte er. „Und zwar an alle gerichtet, die über die Zukunft des Standorts Deutschland nachdenken, darüber verhandeln, darum ringen.“