Klima

Über-2-Grad-Ziel, Sonnenschwäche,Taifunängste

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Was macht eigentlich die Apokalypse? Unser Glossenticker mit ernsten Nachrichten zum Klimawandel und ihren (weniger ernsten) Pointen. Ein Update zum neuen Klimavertrag, zur WMO-Taifunbilanz und zu einer neuen Sonnenstudie.

+++ 15. November.Das Ziel einer globalen Erwärmung von maximal 2 Grad ist langfristig durchaus noch zu vertretbaren Kosten erreichbar. Dazu wäre aber ein Klimavertrag nötig, der dafür sorgt, dass spätestens ab 2020 die Emissionen an Triebhausgasen sinken. Elmar Kriegler vom Potsdam-Institut für
Klimafolgenforschung (PIK) hat sich in einem Beitrag für ein Spezialheft von „Climate Change Economics“ zusammen mit Kollegen der Fondazione Eni Enrico Mattei mit den Zielen der sogenannten Durban-Plattform beschäftigt. Zahlreiche Klimaschutz-Szenarien wurden durchgespielt. Seine Warnung an die Teilnehmer der Klimakonferenz in Warschau: „„Bleiben die Emissionsreduktionen auf ihrem derzeitigen moderaten Niveau, könnte eine Verzögerung um weitere 10 Jahre die ökonomischen
Herausforderungen wesentlich verschärfen“ Gleichzeitig lässt die Studie ein paar Hintertürchen offen. Kriegler nennt das eine „gewisse Flexibilität“ bei der Umsetzung eines globalen Klimaabkommens zum 2-Grad-Ziel. In der Sprache des Klimaökonomen: „Um das Ziel in Emissionsreduktionen zu übersetzen, muss die Wahrscheinlichkeit für ein temporäres Überschreiten der 2-Grad-Marke als
Grenzwert definiert werden. Die Wahl dieses Grenzwertes kann einen signifikanten Effekt auf die Anforderungen langfristiger Emissionsreduktionen und ökonomischer Folgen haben.“ Kriegler und sein Team denken etwa daran, irgendwann im Laufe des Jahrhunderts mit Hilfe von Maßnahmen wie der Biomasseproduktion durch „Carbon Capture and Storage“ (CCS) Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entnehmen. Pflanzen sollen in Biogasanlagen verarbeitet und die klimawirksamen Gase im Untergrund eingelagert werden. Mit anderen Worten: Ein Erfolg der Klimaverhandlungen ist absolute Pflicht. Für CCS darf auch die 2-Grad-Marke geopfert werden – „zumindest vorübergehend“, wie es heißt. Polen jubelt. Für die kohlemächtige Nation ist das der Kniefall der Utopisten vor dem eigenen Klimarealismus. Ostpolen mit seinen riesigen Brachflächen ist ein florales Eldorado für Klimaschutzprojekte solcher Art. Dem Chef von Kriegler, Hans Joachim Schellnhuber, Vordenker des europäischen Klimaschutzpolitik, winkt die Ehrenbürgerschaft Warschaus. +++

+++ 15. November. Der Amazonas-Regenwald ist möglicherweise widerstandsfähiger gegen Austrocknung als bisher angenommen. Anna Harper von der University of Exter hat in ihrem Klimamodell gezeigt, wie das geht: Je ungestörter ein Regenwaldgebiet ist, desto stabiler bleibt die Fähigkeit der Bäume auch bei Trockenperioden erhalten, die Flüssigkeit, die aus dem Boden entnommen wird, zu recyceln. Die Selbstversorgung mit Wasser sei dadurch in Trockenzeiten um gut ein Viertel verbessert. Wie die Forscherin in der Zeitschrift „Journal of Climate“ schreibt, hat sie „unrealistischen Wasserstress“ entfernt, wie er durch die entsprechenden Algorithmen in den bisher verwendeten Vegetationsmodellen enthalten sei. Das Aufatmen in Brasilia war bis nach Europa zu vernehmen.Die Regierung ist nun fest entschlossen, das wertvolle Recyclingwasser sinnvoll zu verwenden und die noch wertvolleren Zuckerrohrfelder durch ein „smart grid“-Schlauchsystem an die natürliche Wasserrückgewinnung im Urwald anzuschließen. +++

+++ 13. November. Das laufende Jahr ist auf dem besten Weg, in die Top-Ten-Liste der historisch wärmsten Jahre aufgenommen zu werden. Die ersten drei Quartale liegen mit 0,48 Grad Erwärmung, verglichen mit den entsprechenden Abschnitten im Vergleichszeitraum 1961 bis 1990, auf Höhe des Wertes von vor zehn Jahren. Das hat die Weltmeteorologie-Behörde WMO den Teilnehmern des neunzehnten Klimagipfels in Warschau mitgeteilt. Die größte Hitze wurde in diesem Jahr in Australien gemessen. Was den verheerenden Taifun „Haiyan“ angeht, sagte WMO-Generalsekretär Michel Jarraud: Obwohl einzelne Zyklone wie dieser nicht direkt dem Klimawandel zugeschrieben werden können, machen steigende Meerespegel die Küstenbevölkerung anfälliger für Sturmfluten. Das haben uns die tragischen Folgen auf den Philippinnen gezeigt.“ Was der Chef der Meteorologie-Behörde hoffentlich nicht damit meinte: Was kann der Sturm dafür, wenn die Hütten am Wasser stehen? Sein dramatischer Appell, die Ausbreitung der Weltmeere auf dem Planeten zurück zu drängen, ist in Warschau bisher ungehört verhallt. +++

+++ 12. November. Die jüngste globale Erwärmung ist zu höchstens 14 Prozent auf die Veränderungen der Sonnenaktivität zurück zu führen. Lediglich 0,07 von 0,5 Grad Erwärmung seit den fünfziger Jahren soll auf das Konto der natürlichen Strahlungsveränderungen gehen, der Rest ist nur mit der Wirkung der zusätzlichen Treibhausgase in der Atmosphäre zu erklären. Davon sind jedenfalls zwei britische Hochenergie-Physiker überzeugt, die einen Beitrag zu einer Aufsatzsammlung über Hochenergieteilchen und Erdatmosphäre in der Zeitschrift „Environmental Research Letters“ verfasst haben. Nach der Rekonstruktion von kosmischer Strahlung und Energieproduktion auf unserem Zentralgestirn kommen sie zu dem Schluss, dass weder die Strahlung selbst noch die Wolkenbildung entscheidend zu den veränderten Energiebilanzen auf der Erde beigetragen haben könnten. Terence Sloan und Sir Arnold Wolfendale von der Durham University schreiben, dass zusammen „mit vielen anderen Untersuchungen der Beitrag der Sonnenaktivität zum Klimawandel im zwanzigsten Jahrhundert entweder auf direktem Wege, über die kosmische Strahlung oder sonst wie nicht mehr als zehn Prozent betragen kann“. Das ist wirklich wenig. Fritz Vahrenholz, der heißeste Advokat einer „kalten Sonne“, hat vorsorglich Anwälte eingeschaltet, um gegen verunglimpfende Interpretationen vorzugehen. Seine Theorie, wonach die Erwärmung zu einem großen Teil auf die Sonnenaktivität zurückzuführen sei, werde von einer breiten Mehrheit im Volk getragen, 135 Kundenrezensionen auf Amazon und 3,8 Sterne seien starke Argumente für seine Klimaprosa. +++