Gesellschaft

Die Syphilis nimmt zu

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In Deutschland nimmt die Syphilis-Erkrankung wieder zu. Bis vor drei Jahren war die Zahl der Patienten rückläufig. Ob eine neue Sorglosigkeit bei Sexualkontakten hinter der Zunahme steht, ist unklar.

In Deutschland nimmt die Zahl der Syphilis-Erkrankungen wieder zu. Im vergangenen Jahr wurden dem Robert Koch-Institut in Berlin 4410 Erkrankungen gemeldet, 706 mehr als im Vorjahr. Das geht aus dem Infektionsepidemiologischen Jahrbuch der Behörde hervor. Auf einem ähnlichen Niveau bewegt sich auch die Neuerkrankungsrate für seltene Tumorerkrankungen wie dem Schilddrüsen- oder Kehlkopfkrebs. Syphilis ist in Deutschland seit drei Jahren auf dem Vormarsch. Davor hatte es eine Stagnation oder sogar einen Rückgang gegeben. Seit dem Jahr 2010 steigen die Erkrankungszahlen bundesweit um etwa zwanzig Prozent pro Jahr. Der Trend lässt sich in fast allen Bundesländern beobachten, außer in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Bremen und dem Saarland. Allerdings hat Bremen auch ohne Anstieg eine höhere Neuerkrankungsrate als der Bundesdurchschnitt.

Die meisten Syphilis-Kranken haben sich in den Stadtstaaten Berlin, Hamburg oder Bremen infiziert. In Berlin kommen auf 100000 Einwohner 21 neu diagnostizierte Syphilis-Erkrankungen pro Jahr. Bei den Flächenbundesländern liegen Nordrhein-Westfalen und Hessen vorne. Unter den Städten ragen Köln, München und Frankfurt heraus. Frauen sind weitaus seltener betroffen als Männer. Ihr Anteil ist mit sechs Prozent vergleichsweise gering. Männer infizieren sich vor allem beim Sex mit Männern. Vier von fünf Neuerkrankungen gehen auf diese Kontakte zurück. Das Robert Koch-Institut nennt im neuesten Epidemiologischen Bulletin keine Gründe für die Zunahme der Syphilis in Deutschland. Es könnte sein, dass Menschen bei Sexualkontakten wieder sorgloser geworden sind, weil die Angst vor Aids wegen der guten Behandlungsmöglichkeiten abgenommen hat. Es ist aber auch denkbar, dass die Erkrankungszahlen nur deshalb gestiegen sind, weil heute mehr Untersuchungen gemacht werden: Wer mehr testet, findet auch mehr.

Höheres Durchschnittsalter

Das Durchschnittsalter der Neuerkrankten liegt bei vierzig Jahren und ist höher als bei anderen sexuell übertragbaren Krankheiten. Bei der Ansteckung mit anderen Geschlechtskrankheiten sind die Betroffenen zumeist fünfzehn bis zwanzig Jahre jünger. Dem Robert Koch-Institut wurden im vergangenen Jahr auch fünf Neugeborene mit Syphilis gemeldet. Die Kinder hatten sich bei ihren Müttern angesteckt. In Deutschland gehört der Ausschluss einer Syphilis eigentlich zu den regulären Vorsorgeuntersuchungen bei einer Schwangerschaft. Eine der Mütter war nicht krankenversichert gewesen.

Syphilis wird durch das Bakterium Treponema pallidum hervorgerufen. Man weiß bis heute nicht, ob Kolumbus und seine Seeleute den Erreger nach Europa gebracht haben oder ob es ihn schon vorher in Europa gegeben hat. Die erste historisch belegte Syphilis-Epidemie trat bei der Belagerung von Neapel durch die Franzosen 1494 auf. Deshalb erhielt die Syphilis auch den Namen Franzosenkrankheit. Die Infektion verläuft – wenn sie nicht spontan abheilt – in drei Phasen. Zuerst entsteht dort, wo die Bakterien eingetreten sind, ein Geschwür mit hartem Rand. Wenig später schwellen die benachbarten Lymphknoten an. Im zweiten Stadium verteilen sich die Erreger im ganzen Körper, was zu Fieber, Abgeschlagenheit, Hautausschlägen und anderen Symptomen führt. Im dritten Stadium können schwere Schäden an den Organen auftreten. Gefürchtet ist auch die Neurosyphilis, bei der Gehirn und Rückenmark angegriffen werden.

Erst spät diagnostiziert

Die Krankheit lässt sich gut mit Penicillin behandeln. Von den im vergangenen Jahr registrierten Neuerkrankungen wurde etwas mehr als ein Drittel im Anfangsstadium diagnostiziert, ein knappes Drittel im zweiten Stadium und die restlichen Erkrankungen im dritten Stadium. Syphilis wird demnach hierzulande eher spät diagnostiziert. Bei jeder vierten bis fünften Infektion hatten sich die Betroffenen früher schon einmal angesteckt. Gegen Syphilis gibt es keine lebenslange Immunität. Das Robert Koch-Institut verweist im Epidemiologischen Bulletin darauf, dass mit einer Syphilis auch das Risiko für eine HIV-Infektion steigt. Allerdings infizieren sich in Deutschland weniger Menschen mit HIV als mit Syphilis. Weltweit erkranken jedes Jahr etwa zwölf Millionen Menschen neu an Syphilis. Etwa jede zehnte Infektion trifft eine Schwangere. Die Weltgesundheitsorganisation bemüht sich darum, dass alle schwangeren Frauen weltweit Zugang zu einer Früherkennung haben, damit sich die Ungeborenen nicht infizieren.