Lebensstil

Die Uhr tickt

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In Nordkorea etabliert sich eine neue Elite. Die fährt deutsche Autos, trägt französische oder italienische Mode und isst in Nobel-Restaurants. Den Armen fehlt es unterdessen am Nötigsten.

Die Schneise ist schon in den Wald geschlagen, und Machthaber Kim Jong-un hat am Berg Masik einigen Offizieren vom Bau-Batallion erklärt, was ein Skigebiet ist und wie es auszusehen hat. Es soll drei Pisten, ein Hotel und einen Hubschrauberlandeplatz haben, hat der junge Herrscher vorgegeben. Doch zum Bau fehlt Nordkorea das Wichtigste. Die in der Schweiz bestellte Liftanlage kommt nicht. Die Lieferung wäre ein Verstoß gegen Sanktionen der Vereinten Nationen, befand der Schweizer Bundesrat. Denn Luxusgüter dürfen nicht nach Nordkorea geliefert werden.

Seit dem ersten Atomtest des kommunistischen Staates im Jahr 2006 hat die Weltgemeinschaft Sanktionen gegen Nordkorea verhängt. Im März dieses Jahres hat sie die Sanktionen noch einmal verschärft. Sie betreffen nicht nur militärisch nutzbare Güter, sondern auch Luxus-Gegenstände. In der neuesten Liste ist von Edelsteinen, Schmuck, Uhren, Autos und Yachten die Rede. Bergbahnen und Skilifte werden zwar nicht erwähnt. Doch würde wohl auch das neue Skigebiet eher jener Schicht zugute kommen, die man mit den Sanktionen treffen will: den Neureichen von Pjöngjang.

Die „happy few“ haben Geld – und geben es auch aus

Während die Masse der Bevölkerung in Nordkorea ums nackte Überleben kämpft, mit mageren Rationen aus der staatlichen Zuteilung sich nur knapp ernähren kann, und ein Viertel der Kinder Nordkoreas unterernährt ist, gibt es mittlerweile auch eine größer werdende Schicht, die im Luxus lebt.

In der Hauptstadt Pjöngjang, wo sich nur ausgewählte Bürger des Landes niederlassen dürfen, gibt es die „happy few“, die Geld haben und es auch ausgeben, besonders gern für importierte Markenartikel oder Essen in schicken Restaurants. Auch die Luxusautos der Marken BMW, Mercedes oder Audi, die heute auf den Straßen der nordkoreanischen Hauptstadt zu sehen sind, zählen zu den Statussymbolen der neuen Reichen.

Da Nordkorea weiterhin eine sozialistische Diktatur mit strikter Planwirtschaft ist, hängt die neue Oberschicht mit der politischen Nomenklatura zusammen. Teils ist sie sogar mit ihr identisch. Nur wer in Nordkorea beste politischen Beziehungen hat, kann über schwarze Geschäfte zu Geld und vor allem zu Devisen kommen. Die neue Schicht scheint immerhin groß genug zu sein, dass man einem neuen Stadtteil mit Hochhäusern den Namen „Little Dubai“ gab. Die Herrschaften bevölkern auch die neuen Boutiquen und Shopping-Malls in Pjöngjang.

Bulgogi im Restaurant für 50 bis 70 Dollar

So bietet das große Einkaufszentrum Haedanghwa in Pjöngjang all das an, was man in Kaufhäusern überall in Asien findet: importierte Designer-Kleidung, Leder-Accessoires, Marken-Kosmetika, Wein und Spirituosen. Und man kann dort auch Schweizer Uhren kaufen. Die Preise seien beachtlich, zu zahlen in chinesischer Währung oder mit amerikanischen Dollar, berichtet sichtlich irritiert ein chinesischer Journalist, der ein Jahr in Pjöngjang stationiert war. Auch für das anschließende Essen in einem der Luxus-Restaurants muss man tief in die Tasche greifen. Das koreanische Nationalgericht Bulgogi kostet zwischen 50 und 70 Dollar.

Es gibt ungefähr zehn Geschäfte in Pjöngjang, in denen man importierte Luxusgüter kaufen kann. Drei von ihnen sollen nach Informationen aus Südkorea sogar einem der wichtigsten Männer der Führung, dem Onkel des Machthabers Kim Jong-un, Yang Song-taek, gehören.

Noch bis vor einigen Jahren war nur vom Führungs-Clan der Kim bekannt, dass er ein Leben ins Saus und Braus führte, während die Bevölkerung darben muss. Wer Geld hat, der versteckt es in dem steinzeitkommunistischen Land im Fernen Osten, auch um sich vor politischer Kritik zu schützen.

Aus China über den Seeweg geschmuggelt

Dass man es jetzt wagt, Wohlstand und Stil zu zeigen, ist wohl auch auf das Auftreten von Kim Jong-uns junger Frau zurückzuführen. Sie zeigt sich bei ihren öffentlichen Auftritten an der Seite ihres Mannes nicht in der unför migen koreanischen Nationaltracht oder dezenter Alltagskleidung, sondern in modischer Kleidung und mit ausgewählten Acessoires. Schon öfters war sie mit einer Tasche von Dior zu sehen, die kaum unter umgerechnet 1000 Euro zu haben ist. Ihr Beispiel hat andere ermuntert.

Nordkorea: Kim Jong Un hat geheiratet

Luxusgüter finden trotz der Sanktionen ihren Weg nach Nordkorea. Es liegt im Ermessen einzelner Staaten, welche Güter sie als Luxusgüter definieren. Viele Angehörige der Nomenklatura nutzen ihre Auslandsreisen für Geschäfte. Im großen Stil kommen die Luxusgüter aber über China nach Nordkorea. In einem Bericht über die Umsetzung der Sanktionen für die Vereinten Nationen heißt es, dass viele der Luxusgüter von China über den Seeweg nach Nordkorea geschmuggelt werden. Denn auch China, der letzte Verbündete Nordkoreas, hat sich den Sanktionen angeschlossen.

Die chinesische Grenzstadt Dandong, über die ein großer Teil des offiziellen nordkoreanisch-chinesischen Handels abgewickelt wird, ist auch ein Schmuggelparadies. Nordkoreaner kommen über den Grenzfluss Yalu nach Dandong zum Einkaufen. Und während sie sich früher nur für billige Konsumgüter interessierten, gehen einige jetzt auch in chinesischen Luxus-Boutiquen einkaufen.

Kim Jong-un wird es getroffen haben, dass die Schweiz die Lifte für sein Skigebiet als luxusverdächtig eingestuft hat. Schließlich lebte der heutige Machthaber von 1998 bis 2001 in Bern und erlernte dort angeblich auch das Skifahren. An der Fertigstellung seines neuen Vorzeige-Projekts lässt er sich aber nicht hindern: Die Bauarbeiten am Berg Masik gehen weiter.