Gesellschaft

„Wir haben Millionen Menschen gerettet“


Am Donnerstag trifft Bill Gates auf Angela Merkel, um mit ihr über eine bessere Zusammenarbeit bei der Entwicklungshilfe zu reden. Im Interview spricht er über Armutsbekämpfung, Gesundheits-Defizite und die Vorteile von Stiftungen.

Herr Gates, ist die Taifun-Katastrophe auf den von Menschen verursachten Klimawandel zurückzuführen?

Es ist eine Tragödie. Wir müssen lernen, diese Dinge besser zu verstehen. Nach Einschätzung des internationalen Panels zur Erforschung des Klimawandels könnte es menschengemacht sein, aber man weiß es noch nicht genau.

Wie wird sich Bill&amp-Melinda Gates Stiftung engagieren?

Unsere Stiftung gibt Geld, bevor Dinge passieren. Bei Katastrophenhilfe ist es wichtig, in den ersten fünf Tage Geld an die richtigen Stellen zu lenken, so hilft man am meisten. Das können Regierungen besser als wir. Das ändert nichts daran, dass es eine Tragödie ist, auch weil so viele Kinder betroffen sind.

Was kann man überhaupt tun?

Bei Naturkatastrophen leider wenig. Aber jedes Jahr sterben 6,5 Millionen Kinder durch Hunger oder an Krankheiten. Hier muss man ansetzen.

Für diese Arbeit suchen Sie Verbündete. Was versprechen Sie sich von Ihrem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel an diesem Donnerstag?

Wir sind alle Teil eines großen Ganzen. Deutschland ist immer großzügig gewesen mit seiner Entwicklungshilfe. Seine Wirtschaft läuft erfolgreich. Und wir arbeiten seit Jahren gut zusammen.

Was ist also ihr Ziel?

Mehr und bessere Kooperation. In den siebziger und achtziger Jahren gab es deutlich mehr staatliche Entwicklungshilfe. Diese an der Wirtschaftstätigkeit gemessenen Anteile gingen danach deutlich zurück. In diese Lücke stießen einige große private Geber wie wir.

Worauf führen Sie den Wandel zurück?

Auf das Problem, dass dort, wo die Hilfe am dringendsten gebraucht wird, meist die schlechtesten Rahmenbedingungen herrschen. Sie haben dort Regierungen, die schlecht, undemokratisch und kaum legitimiert sind. Zudem lassen sich Entscheidungen dort schlecht durchsetzen. Das sprechen wir überall an. Unsere Stiftung arbeitet sehr erfolgsorientiert.

Was werden Sie der Kanzlerin sagen?

Im Jahr 2015 wird Deutschland die Präsidentschaft in der Gruppe der acht führenden Wirtschaftsnationen der Welt (G8) übernehmen. Das ist ein großer Meilenstein, dann laufen die alten Entwicklungsziele aus. Bisher ist schon einiges erreicht worden. So wurde die Kindersterblichkeit um zwei Drittel reduziert, und der Hunger in der Welt ist stark zurückgegangen.

Welche Rolle soll Berlin jetzt spielen?

Wenn Deutschland die G-8-Präsidentschaft übernimmt, muss es die Frage stellen, was nun die größten Nöte der Ärmsten in der Welt sind.

Was sind denn die größten Probleme?

Unternernährung, Gesundheits-Defizite und Kindersterblichkeit gehören zu den größten Herausforderungen.

Woran mangelt es, an Geld, an Forschung oder an fähigen Regierungen in den armen Ländern?

An allem. Wir brauchen mehr Spitzenforschung, nicht zuletzt für die Ärmsten, dafür braucht man viel Geld.

Das sind dieselben Probleme wie vor zwei Jahrzehnten, als Ihre Stiftung an den Start ging. Können Sie mit Ihrer Arbeit zufrieden sein?

Wir schauen nicht zurück, wir schauen nach vorn. Aber wir sind sehr zufrieden mit dem, was wir erreicht haben. Wir haben allein durch unsere Impfprogramme Millionen von Menschenleben gerettet. Wir sind der größte Geldgeber zur Bekämpfung der Malaria. Und wir sind nach der Regierung in Washington der zweitgrößte Finanzier bei der Bekämpfung von Aids. Generell konzentrieren wir uns auf die Ärmsten, die müssen raus aus der Armutsfalle.

Wie wollen Sie das schaffen?

Wir können nur unterstützend arbeiten. Länder wie Brasilien, Mexiko und Thailand haben den Sprung geschafft, sie sind heute Schwellenländer. Die Probleme konzentrieren sich damit auf weniger Menschen in weniger Ländern.

Sie haben sich vor einiger Zeit ein Bild von der Lage in China gemacht. Wie ist Ihre Einschätzung?

Auch dort gibt es noch sehr viel Armut, aber das ist ein innerchinesisches Problem.

Warum?

Es gibt dort sehr viel reiche Leute. Es gibt eine Gründergeneration, die in kurzer Zeit an zu viel Geld gekommen ist. Die ist nun gefordert. Doch sie wissen noch nicht genau, wie sie es anpacken sollen.

Was ist Ihr Rat?

Ein Vorbild könnte Amerika sein. Spenden, Stiftungen und Mäzenatentum kommt jedoch in vielen Formen vor. In Deutschland etwa ist Hasso Plattner, der Mitgründer der SAP AG, ein großzügiger Geldgeber für Bildung und Forschung. Gerade aus den Technologie-Branchen gibt es viel Hilfe im Kampf gegen Armut. Gesellschaften müssen solche privaten Initiativen unterstützen.

Kann das nicht der Staat besser selbst machen?

Nein, privat finanzierte Initiativen haben mehr Freiheiten, neue Dinge für alte Probleme auszuprobieren. Der Staat kann das nicht. Regierungen müssen vorsichtig mit dem Geld der Steuerzahler umgehen.

Wenn man Ihren Lebensweg anschaut, bekommt man den Eindruck, Sie zielen vor allem auf Größe. Erst die Softwareschmiede Microsoft, nun die reichste Stiftung der Welt.

Für große Probleme wie Kindersterblichkeit und Malaria brauchen wir so große Ressourcen.

Wie groß?

Allein zur Bekämpfung von Kinderlähmung werden wir in den kommenden drei Jahren vier Milliarden Dollar einsammeln. 1,8 Milliarden Dollar kommen von unserer Stiftung.

Mit einem Vermögen von 37 Milliarden Dollar haben Sie ja auch die größte Stiftung der Welt.

Ja, klar. Wir haben den Reichtum, den wir mit Microsoft erarbeitet haben, in den neunziger Jahren in eine Stiftung überführt. 2006 kam der Großinvestor Warren Buffett hinzu. So ist die Stiftung heute in der glücklichen Lage, jedes Jahr 3,4 Milliarden Dollar in Projekte stecken zu können.

Das sind fast zehn Prozent des derzeitigen Stiftungskapitals. Da müssen Sie wohl sehr kapitalistisch arbeiten, um auf so eine Rendite zu kommen?

Wir managen unser Geld nicht selbst. Damit wollen wir auch nichts zu tun haben.

Wie das?

Buffett gab seine Milliarden in Gestalt von Aktien an seine Investmentgesellschaft. Die Leute dort wissen alles über Geld, aber wenig über Malaria. Wir bei der Stiftung wollen möglichst viel über Malaria wissen und müssen uns wenig mit Geldfragen herumschlagen. Wichtig ist nur, dass die Stiftung effizient organisiert ist.