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Ein Motorola für die Massen

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Motorola spielte technisch wie modisch lange ganz vorne mit. Nach der Übernahme von Google wurde es ruhig um das Unternehmen. Das neue Handy Moto G soll die frühere Kultmarke wieder beleben.

In einer Umfrage sollten sich amerikanische Passanten zum Handyproduzenten Motorola äußern. Besitzen sie ein Gerät dieser Marke? Wie ist das Image einzuschätzen? Das – natürlich nicht repräsentative – Ergebnis auf der Straße war verheerend: Ja, Motorola habe mal tolle Handys hergestellt. Aber heute habe man eher Apple oder Samsung in der Tasche. Wer sich bei Motorola an Nokia erinnert fühlt, liegt nicht falsch. Wie die Finnen waren die Amerikaner mal eine große Nummer.

1928 gegründet und in der automobilen Frühzeit als Autoradiohersteller erfolgreich, brachte der Elektronikkonzern vor 30 Jahren mit dem Dynatac das erste Mobiltelefon auf den Markt. Motorola spielte sowohl technisch wie modisch lange ganz vorne mit. Das Unternehmen baute das erste Klapphandy, und die dünnen Razr-Modelle waren Verkaufsschlager. Mit Apples Einführung des iPhones teilte Motorola dann das Schicksal mancher Konkurrenten. Die Absätze sanken, man fand keine Antwort auf den sich anbahnenden Smartphone-Boom.

Das Unternehmen wurde schließlich aufgeteilt, und 2012 verleibte sich Google für 12,5 Milliarden Dollar die Mobilfunksparte ein. Monatelang war nichts mehr von Motorola zu hören, bis das Unternehmen im Frühjahr das neue Oberklassegerät Moto X vorstellte – mit durchwachsenem Erfolg. In einem Quartal sollen 500.000 Stück verkauft worden sein, schätzen Analysten. Samsung verkauft in guten Monaten mehr als 10 Millionen Stück seines Spitzenmodells Galaxy S4.

Smartphone für 169 Euro

Der zweite Aufschlag soll besser laufen. Am Mittwoch präsentierte Motorola in Sao Paulo das Moto G – ein Gerät, mit dem man wieder an alte Zeiten anknüpfen will. Motorola-Mobility-Chef Dennis Woodside, langjähriger Google-Manager, machte im Gespräch mit dieser Zeitung deutlich, dass das Moto G für Google nicht irgendein neues Handy ist. Zum Vergleich muss schon Apples iPhone herhalten. Zuhörer kommen am Ende von Woodsides Lobreden automatisch zum Schluss, dass es das Moto G praktisch in jeder Disziplin mit Apple aufnehmen kann. Das 4,5-Zoll-Display ist größer als das des iPhones und angeblich das „schärfste seiner Klasse“, der Vierkernprozessor von Qualcomm rasend schnell.

Das Moto G ist nach dem Moto X das zweite Produkt von Motorola seit der Übernahme durch Google. Damals habe man sich den Markt genau angeschaut, vor allem das Preisniveau der Mobilgeräte, sagt der Motorola-Chef. Und genau hier will man die Konkurrenz angreifen. Denn die Industrie lasse den Konsumenten eine schlechte Wahl, findet Woodside. Entweder müssten sie bei Geräten im unteren Preissegment mit kleinen schlechten Bildschirmen, langsamen Prozessoren und älterer Software leben.

Oder sie seien gezwungen, ein veraltetes Spitzenhandy wie Samsungs Galaxy S2 zu kaufen – inzwischen ist schon dessen Nach-Nachfolger auf dem Markt. „Das ist eine ziemlich unfaire Art und Weise, mit Konsumenten umzugehen, die nicht so viel Geld ausgeben können.“ Sagt der marketingtechnisch geübte Google-Mann. Und, wen wundert’s, ist Google anders als die Wettbewerber: „Wir haben ein Telefon gebaut, das so ist, wie ein Smartphone 2014 sein sollte.“ Und das zu einem Viertel des iPhone-Preises: In Deutschland wird das von der kommenden Woche an erhältliche Moto G gerade mal 169 Euro kosten. Nun kann der Suchmaschinenkonzern vieles, aber nicht die Gesetze der Betriebswirtschaft außer Kraft setzen.

Bei Amazon und seinen Kindle-Tablets haben Spezialisten durchgerechnet, dass mit Blick auf die Preiskalkulation kaum ein Gewinn übrig bleiben dürfte. Das sei aber auch nicht schlimm, weil Amazon sein Geschäft mit der „Software“ mache, mit Büchern und Musik. Eine ähnliche Idee dürfte Google verfolgen. Mit dem Moto G bindet der Konzern die Kundschaft an sein Ökosystem Android und damit letztlich an die Google-Werbewelt. Zumindest soll Motorola tendenziell mehr Kunden anlocken als die Google-Smartphone- und Tablet-Marke Nexus.

Die richtet sich laut Woodside eher an Android-Profis, während das Moto G ein sehr breites Publikum erreichen soll: „Die Chancen für dieses Produkt sind wirklich groß.“ Schließlich würden im nächsten Jahr auf der ganzen Welt 1,2 Milliarden Smartphones verkauft, davon eine halbe Milliarde im unteren Preissegment bis 200 Euro. Absatzprognosen mag er keine geben, nur so viel: „Wir sind ziemlich zuversichtlich, dass sich dieses Produkt sehr gut verkaufen könnte.“

Die Konkurrenz hat freilich auch schon erkannt, dass in den Entwicklungsländern noch viele Menschen wohnen, die sich ein iPhone 5S oder ein Galaxy S4 nicht leisten können. Marktführer Samsung selbst hat eine Reihe billiger Smartphones im Programm, Nokia stapelt mit seiner Asha-Modellreihe preislich ziemlich tief, und das scheint gut anzukommen. Diese Kundengruppen will nun das Moto G für sich einnehmen. Das Unternehmen scheint dabei zum Erfolg verdammt: Bislang ist Motorola für Google nur ein teurer Klotz am Bein.