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Welche Kultur – und welcher Wandel?

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Die Doppelspitze aus Anshu Jain und Jürgen Fitschen sollte für einen Kulturwandel stehen. Bisher steht sie nur für Ansehensverlust. Einmal durchs Strafgesetzbuch mit der Deutschen Bank.

Der Exportweltmeister Deutschland hat nur eine Bank, die im internationalen Wettbewerb eine maßgebliche Stellung vorzuweisen hat. Doch die Deutsche Bank wird von ihrem Fehlverhalten in der Vergangenheit eingeholt. Immer schwerer tut sich die Doppelspitze der beiden Vorstandsvorsitzenden Anshu Jain und Jürgen Fitschen, diese Dinge dem Vorgänger Josef Ackermann anzulasten. Denn Jain trägt Verantwortung als langjähriger Chef der Sparte Investmentbanking, der ein großer Teil der Rechtsrisiken zuzuordnen ist.

Nun ist auch Fitschen in den vergangenen Tagen in den Blickpunkt gerückt, weil gegen ihn die Münchner Staatsanwaltschaft wegen angeblicher Falschaussage im Prozess mit den Erben des verstorbenen Medienunternehmers Leo Kirch ermittelt. Dabei wird Fitschen den Medien durch sein sogenanntes Umfeld als „Fahnenträger des Kulturwandels“ verkauft: Der Wirtssohn aus Niedersachsen sei angetreten, um zusammen mit Jain das ramponierte Image der Bank aufzupolieren und das Vertrauen der Kunden wiederherzustellen.

„Wir wissen unser Haus bei ihnen in guten Händen“

Mitarbeiter sollten sich wieder stärker an dem nachhaltigen Erfolg und den Interessen ihrer Kunden ausrichten. Erst vor einer Woche hatte der Aufsichtsrat Fitschens Vertrag um zwei Jahre bis Ende März 2017 verlängert. Damit enden die Verträge des inzwischen 65 Jahre alten Fitschen und des 15 Jahre jüngeren Jain zur gleichen Zeit. Beide sollen nach Wunsch der Kontrolleure den Kulturwandel abschließen. „Wir wissen unser Haus bei ihnen in guten Händen“, sagte Aufsichtsratschef Paul Achleitner. Bei zwei Managern, die auch die Fehlentwicklungen vor der Finanzkrise mitzuverantworten haben, könnte man hinzufügen.

Schon seit zwei Jahren ermittelt die Münchner Staatsanwaltschaft gegen die frühere Führungsriege der Deutschen Bank, gegen den Vorstandsvorsitzenden Josef Ackermann und dessen Vorgänger Rolf-Ernst Breuer, gegen den einstigen Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Börsig und das Vorstandsmitglied Tessen von Heydebreck. Der Verdacht lautet auf versuchten Prozessbetrug- die Manager sollen das Oberlandesgericht München im Schadensersatzprozess der Kirch-Erben angelogen haben, um deren Milliardenforderungen abzuwehren. Mehr noch: Das Vorgehen sollen sie vorher miteinander verabredet haben.

Eine spektakuläre Untersuchung in den Zwillingstürmen

Nun haben die bayerischen Strafverfolger diese Ermittlungen auch noch auf Fitschen – und damit auf das einzige noch amtierende Vorstandsmitglied – ausgedehnt. Den Stoff dafür lieferten ihnen die Zivilrichter des Oberlandesgerichts, die Fitschen vernommen hatten – und ihm schriftlich bescheinigten, seine Angaben seien „schlicht inkonsistent“ und seine Erinnerung „ersichtlich unrichtig“. Gegen Fitschen, der zudem als Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken wichtigster Interessenvertreter der Branche ist, läuft noch ein zweites Strafverfahren. In Frankfurt ermittelt die Anklagebehörde wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung.

Deshalb war es vor einem Jahr zu einer spektakulären Durchsuchung in den Frankfurter Zwillingstürmen des Kreditinstituts gekommen. Fitschens Problem: Er hatte – ebenso wie Finanzvorstand Stefan Krause – seine Unterschrift unter eine Steuererklärung gesetzt, mit der die Bank angeblich zu Unrecht Umsatzsteuer zurückforderte. Der Hintergrund: Ein paar Bankkunden hatten beim Handel mit Emissionszertifikaten ein kriminelles Umsatzsteuerkarussell aufgezogen- einige von ihnen wurden deshalb schon zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.

Das Casino der Vergangenheit

Die Bilder von der Durchsuchung im Dezember 2012 erregten Aufsehen: Polizisten in Kampfmontur durchsuchten Deutschlands wichtigste Bank. Der Öffentlichkeit wurde so der Ansehensverlust der Deutschen Bank vor Augen geführt. Nun droht die Bank von zahlreichen Prozessen überrollt zu werden. Im dritten Quartal musste sie für Rechtsrisiken weitere 1,2 Milliarden Euro zurückstellen. Der Gewinn brach deshalb um mehr als 90 Prozent ein. Ob der Puffer für Strafzahlungen und Vergleiche in Höhe von vier Milliarden Euro ausreicht, ist fraglich. Mögliche weitere Belastungen beziffert die Bank auf mehr als eine Milliarde Euro.

Vor allem das früher von Jain verantwortete Investmentbanking gilt als das Casino der Vergangenheit. Dort wurden hohe Boni kassiert – für die Risiken müssen nun die Aktionäre büßen. Dass Jain von Absprachen seiner Investmentbanker bei Referenzzinsen wie Libor oder Euribor nichts gewusst hat, darauf verweist ein internes Gutachten des Aufsichtsrats. Kein Vorstandsmitglied sei in diese Manipulationen verwickelt gewesen, lautet ein weiteres Ergebnis. Dass dem inzwischen entlassenen Händler Christian Bittar für das Jahr 2008 die unglaubliche Erfolgsprämie von 80 Millionen Euro zugesagt worden war, davon hat der Vorstand allerdings gewusst.

In der Sache folgt auf Ärger meist weiterer Ärger

Er behielt die Hälfte des Bonus ein, als ihm später das Fehlverhalten Bittars in den Zinsmanipulationen bekannt wurde. In der Sache folgt auf Ärger meist weiterer Ärger. Die Bank unterlag vor Gericht, nachdem vier Händler vor dem Frankfurter Arbeitsgericht gegen ihre Entlassung wegen der Zinsabsprachen geklagt hatten. Die Richter erklärten die Kündigungen für unverhältnismäßig, weil die Bank dafür gesorgt habe, dass sich die Händler in einem „erheblichen Interessenkonflikt“ befunden hätten.

Die Begründung der Richter war eine Ohrfeige für den Vorstand der Deutschen Bank und deckt sich zudem nicht mit den Ergebnissen des internen Gutachtens. Die Aufsichtsbehörden, die gegen die Deutsche Bank ermitteln, gehen mit ihr alles andere als zimperlich um. Die Vorwürfe lauten auf Zinsmanipulation und Betrug. In Brüssel verhandelt die Bank neben anderen Instituten mit der EU-Kommission über einen Vergleich wegen der Absprachen bei der Festlegung von Interbankenzinsen.

Brüssel soll dabei eine Strafe je Bank von bis zu 800 Millionen Euro anstreben. Doch wäre dies nur ein Teil der möglichen Strafen: In Großbritannien und den Vereinigten Staaten ermitteln die Aufsichtsbehörden ebenfalls wegen der Zinsabsprachen. Die höchsten Risiken stammen indes aus den Geschäften am amerikanischen Immobilienmarkt vor Ausbruch der Finanzkrise.

Der Deutschen Bank droht deshalb eine Milliardenstrafe der staatlichen Aufsichtsbehörde FHFA, weil sie den inzwischen verstaatlichten Immobilienfinanzierern Fannie Mae und Freddie Mac komplexe Hypothekenanleihen verkauft hatte. Diese führten zu hohen Verlusten. Die Käufer werfen der Bank falsche Angaben vor. Die Vergleiche mit Aufsichtsbehörden ziehen in der Regel Zivilklagen nach sich. Die Deutsche Bank muss lernen, auch in solchen Zusammenhängen mit ganz großen Zahlen umzugehen.