Wirtschaft

SPD plant Staatsprivileg für Zeitarbeit

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Die SPD-geführten Länder wollen die öffentlichen Arbeitgeber durch eine Sondervorschrift von zu bürokratischen Regeln für Zeitarbeit befreien. Verdi und die Industrie reagieren empört. Der ganze Vorgang sei „sehr merkwürdig“.

Eine neue Bundesratsinitiative SPD-geführter Länder sorgt in der Industrie und in der Gewerkschaft Verdi gleichermaßen für Empörung: Die Länder wollen die öffentlichen Arbeitgeber durch eine Sondervorschrift von den ihrer Ansicht nach zu bürokratischen Regeln für Zeitarbeit und Arbeitnehmerüberlassung befreien. Einen Entschließungsantrag dazu haben Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein in die Bundesratssitzung an diesem Freitag eingebracht.

„Das stößt bei uns auf völliges Unverständnis“, sagte der Bereichsleiter beim Verdi-Vorstand, Onno Dannenberg, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Der ganze Vorgang sei „sehr merkwürdig“. Ebenso verärgert reagierten die Arbeitgeber der Metall- und Elektroindustrie. „Dies ist ein weiterer schamloser Versuch der Politik, sich für den eigenen Gestaltungsbereich Sonderrechte zu sichern“, kritisierte der Vorsitzende des Verbands Südwestmetall, Stefan Wolf. Offenbar scheue die öffentliche Hand Belastungen, „die man der privaten Wirtschaft seit Jahren ganz ungeniert zumutet“.

Die Länder-Initiative hat das Ziel, den Staat als Arbeitgeber von den 2011 durch die schwarz-gelbe Koalition eingeführten Verschärfungen des Zeitarbeitsrechts zu befreien. Dies betrifft vor allem die neuen Regeln zur Eindämmung der konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung. Diese sollen verhindern, dass Arbeitgeber eigene Personaldienstleistungsfirmen gründen und Mitarbeiter dorthin auslagern, nur um sie dann zu schlechteren Arbeitsbedingungen einzusetzen. Nicht in jedem Fall hat konzerninterne Überlassung diesen Zweck. Doch um Missbrauch zu verhindern, müssen Firmen seither für die Arbeitnehmerüberlassung eine aufwendigere „Zuverlässigkeitsprüfung“ durch die Arbeitsagentur durchlaufen, und sie müssen belegen können, dass die einzelnen Arbeitseinsätze „vorübergehend“ sind.

Diese neuen Regeln sind den öffentlichen Arbeitgebern nun aber für ihre eigene Personalwirtschaft zu kompliziert. Die strengeren Anforderungen der Zuverlässigkeitsprüfung führten „zu einem bürokratischen Mehraufwand, der nicht mit dem Ziel des Bürokratieabbaus zu vereinbaren ist“, heißt es in der Vorlage für die Bundesratssitzung. Es entstünden Kosten von bis zu 4250 Euro, obwohl die Zuverlässigkeit öffentlicher Arbeitgeber „nicht ernsthaft in Zweifel zu ziehen ist“.

„Nahezu ein Befristungsmonopol“

Für die Industrie ist dieser Vorstoß bereits das zweite Alarmzeichen binnen kurzer Zeit. Denn in den Koalitionsverhandlungen streitet die SPD dafür, die sogenannte sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen zu verbieten. Dann dürften Arbeitgeber befristete Stellen nur noch anbieten, wenn es dafür eine gesetzlich ausdrücklich zugelassene Begründung gibt. Einer der bereits heute zugelassenen Sachgründe ist ein weiteres Privileg für den Staat: Falls im öffentlichen Haushalt das Geld für dauerhafte Stellen fehlt, darf er befristen. Das Befristungverbot träfe daher nur private Unternehmen.

Tatsächlich zeigen Daten des Statistischen Bundesamts, dass öffentliche Arbeitgeber bereits heute deutlich häufiger zum Instrument der Befristung greifen als private. „Mit der Abschaffung der sachgrundlosen Befristung schafft sich der Staat nahezu ein Befristungsmonopol“, schimpfte Wolf. „Völlig inakzeptabel“ werde ein solcher Platzvorteil dort, wo Betriebe in öffentlicher Trägerschaft privaten Unternehmen Konkurrenz machten.

Sonderregeln verstärken Anreiz

Für Verdi steckt der Fehler indes an anderer Stelle. Dannenberg widerspricht der These, dass öffentliche Arbeitgeber besonders „zuverlässig“ seien und daher von gewissen Vorschriften befreit werden könnten. Ein markantes Gegenbeispiel sei der Umgang vieler Kommunen mit öffentlich geförderter Beschäftigung für Problemgruppen am Arbeitsmarkt: Im Rahmen von Förderprojekten würden Arbeitskräfte oft über Bürgerarbeitsfirmen angestellt, dort unter Tarif bezahlt – und anstelle regulärer Angestellter für kommunale Aufgaben eingesetzt, berichtete er. Das sei aber nur eine Spielart. Die geplanten Sonderregeln verstärkten insgesamt den Anreiz für Kommunen, Personal in privatrechtlich organisierte öffentliche Betriebe auszulagern, für die nicht das Tarifrecht des öffentlichen Dienstes gilt.