Aktien

Die Börse feiert Europas Autozulieferer

• Bookmarks: 4


Mit Kursgewinnen von bis zu 95 Prozent seit Jahresbeginn honorieren Investoren die guten Geschäfte der europäischen Autozulieferer.

Wenn die Börse recht hat, dann steht der europäischen Autozulieferindustrie eine glorreiche Zukunft bevor. Diesen Schluss legt jedenfalls die Entwicklung der Aktienkurse von drei der wichtigsten europäischen Zulieferer nahe. Die Aktie des französischen Konzerns Valeo verteuerte sich seit Jahresbeginn um 95 Prozent, das Papier des britischen Konkurrenten GKN gewann im selben Zeitraum 81 Prozent, und der deutsche Continental-Konzern aus Hannover – zweitgrößter Autozulieferer der Welt – legte um 55 Prozent zu. Sogar der Kurs des italienischen Reifenherstellers Pirelli, dessen Heimatmarkt stark unter der Eurokrise gelitten hat, kletterte um 20 Prozent.

Der Grund für die Euphorie an der Börse ist eine Mischung aus Erleichterung und Vorschusslorbeeren. Erleichterung darüber, dass in Zukunft – so die These vieler Investoren – mit einer steigenden Profitabilität der Zulieferer zu rechnen ist. „Die Branche hat sich nicht nur durch vereinzelte Übernahmen konsolidiert. Viele Unternehmen haben sich auch stärker auf ihre Kerngeschäftsfelder konzentriert“, sagt Arndt Ellinghorst vom Londoner Analysehauses International Strategy &amp- Investment. Der Autofachmann beobachtet darüber hinaus, dass die europäischen Zulieferer ihre verbliebenen Kerngeschäftsfelder globaler aufgestellt haben und auf allen wichtigen Märkten vertreten sind. Die Produktion in Europa habe weniger stark nachgelassen als befürchtet, und der Wachstumstrend auf den Absatzmärkten in Amerika und China sei ungebrochen.

Hoffnung für die Zukunft

Offenbar kann die Krise der hoch verschuldeten Länder in Südeuropa eingegrenzt werden- das bedeutet, dass viele Menschen den Kauf eines Autos – immerhin die zweitwichtigste Anschaffung im Leben der meisten Familien – nicht länger aufschieben werden. Als weiterer positiver Faktor für die Zulieferer kommt die verschärfte Umweltgesetzgebung auf europäischer Ebene hinzu. Bis 2020 will die EU-Kommission die Verbrauchsobergrenze für Neuwagen in Europa von heute gut fünf Litern Kraftstoff je 100 Kilometer Strecke auf etwas weniger als vier Liter Kraftstoff absenken. Das erhöht die Nachfrage der Autohersteller nach Spritspartechnik und Leichtbaukomponenten und nützt damit den Zulieferern.

Als Vorschusslorbeer ist in den Aktienkursen der Zulieferer allerdings auch eine auf die Zukunft gerichtete Hoffnung enthalten. „Die Aktien der europäischen Zulieferer sind noch weit weniger hoch bewertet als die Papiere der Zulieferer in anderen Ländern“, sagt Ellinghorst. „Deshalb erwarten die Investoren, dass sich die Bewertungen nach oben angleichen.“ Der aktuelle Continental-Kurs entspricht dem Elffachen des geschätzten Nettogewinns im kommenden Jahr. Das ist im internationalen Vergleich wenig. Beim amerikanischen Zulieferer Borg Warner liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis bei 16.

Gute Geschäfte in den Schwellenländern

Ein gutes Beispiel für den Erfolg börsennotierter deutscher Mittelständler ist auch der Kabelsystemhersteller Leoni, dessen Börsenwert sich in Jahresfrist verdoppelt hat. Zwar hatte sich im vergangenen Jahr und auch in diesem Jahr der Umsatz etwas schwächer entwickelt, weil Leoni mehr als ein Drittel seines Geschäfts mit schwächelnden Volumenherstellern in Europa wie Opel, Peugeot-Citroen oder Renault macht. Aber auch hier gibt es Licht am Horizont, wie Analysten des Bankhauses Lampe betonen: Leonis Umsätze mit den französischen Herstellern sind im Jahr 2013 stabil, neue Autos wie der Peugeot 308 könnten für neuen Schwung beim Absatz sorgen. Opel hat zwar in diesem Jahr weiter rückläufige Zahlen, aber die Wende scheint bevor zu stehen. Für den kleinen Stadtwagen Adam liegen europaweit 50.000 Bestellungen vor, für den kleinen Geländewagen Mokka, dessen Produktion teilweise aus Korea nach Spanien verlagert wird, 120.000, und die rundum überarbeitete Mittelklasselimousine Insignia kommt gerade in die Autosalons. Grundsätzlich war der Tenor auf der Automesse IAA in Frankfurt, dass der Talboden in Europa erreicht sei, und es von nun an wieder langsam aufwärts gehen sollte.

Basis für den Optimismus ist die Erwartung, dass die deutschen Autohersteller weiter in den wachsenden Märkten der Schwellenländer sehr gute Geschäfte machen werden. Tatsächlich können in China, dem größten Fahrzeugmarkt der Welt, noch 600 Millionen Neuwagen verkauft werden, bevor das Land den selben Motorisierungsgrad wie Deutschland erreichen würde. Mehr als ein Viertel der Gewinne der drei deutschen Hersteller stammt schon heute aus dem Verkauf ihrer besonders schweren und teuren Limousinen wie der S-Klasse, dem BMW Siebener oder dem Audi A8 an die Neureichen in Peking und Schanghai.