Wirtschaft

Wien weiß fremde Kühe schon lange zu melken

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Österreich profitiert seit 1997 von einer Maut auf Autobahnen, wie die CSU sie in Deutschland einführen will. Auch Durchreisende zahlen soeinen großen Teil der Kosten des Schnellstraßennetzes.

Die vieldiskutierte Autobahnmaut in Deutschland ist in Österreich längst Praxis. Eine Mautpflicht gibt es dort seit 1997. Seither wird auf allen Autobahnen und Schnellstraßen zwischen Wien und Bregenz von allen Fahrzeugen eine Maut erhoben. Dieser Wegzoll für das Straßennetz wird in Form von Autobahnvignetten verrechnet. Sie kleben als Plakette an der Windschutzscheibe. Zahlen müssen Österreicher wie Ausländer gleichermaßen. Für Bau, Erhalt und Finanzierung des Netzes von Autobahnen und Schnellstraßen ist seit 1997 die staatliche Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs AG (Asfinag) verantwortlich. Bis dahin wurde die Straßeninfrastruktur aus dem Staatshaushalt bedient. Die Gesellschaft kann seither im eigenen Namen Maut und Benutzungsgebühren erheben- neben der Sondermaut für besonders aufwendige Gebirgsröhren (Bosruck, Gleinalm, Hohe Tauern, Katschberg, Karawanken, Arlberg) und die Brenner-Autobahn wurde eine Vignette als Generalmaut für alle anderen wichtigen Straßen eingeführt. Derzeit umfasst das dem Endausbau nahe ranghohe Straßennetz 2178 Kilometer, zudem sind 56 Kilometer Autobahnen und 226 Kilometer Schnellstraßen in Bau oder in Planung.

Damit gehört Österreich zu den Nationen mit der größten Autobahndichte, gemessen an der Einwohnerzahl. Die günstigste Vignette gilt zehn Tage, was 8,30 Euro kostet und Urlauber oft ärgert, die auf der Durchreise sind. Da gibt es das schöne Sprachbild vom Gast, der ein Glas Milch will, aber eine Kuh kaufen muss. So gesehen gibt es eine indirekte Diskriminierung von Ausländern: Die fahren oft weniger Kilometer und zahlen die gleichen Pauschalgebühren. Dann gibt es die Möglichkeit, für zwei Monate eine Vignette zum Preis von 24,20 Euro zu kaufen. Für ein Jahr kostet die Gebühr 80,60 Euro. Für einige Streckenabschnitte, Tunnel und Brücken wird zudem eine Sondermaut erhoben. Für diese Streckenabschnitte ist keine Vignette erforderlich, da jedoch die sinnvollste Zufahrt zu den Sondermautstrecken in den meisten Fällen über vignettenpflichtige Straßen führt, muss in der Regel trotzdem eine Vignette gekauft werden.

Geprüft wird mit Kameras

Kontrolliert wird die Bezahlung der Gebühren durch eine eigens geschaffene Mautaufsicht mit weitreichenden Befugnissen. Geprüft wird über Kamerasysteme und durch die Polizei. Wer erwischt wird ohne Vignette, muss saftige Geldbußen in Kauf nehmen. Das gilt auch für den Fall, dass die Plakette im Handschuhfach verstaut liegt. Bei nicht ordnungsgemäß befestigter oder fehlender Vignette kostet das für einen Autofahrer 120 Euro.

Umfragen zufolge haben 90 Prozent der österreichischen Autofahrer eine Vignette, das zwischen Wien und Bregenz sogenannte „Autobahnpickerl“, geklebt. Der überwiegende Teil davon hat eine Jahresvignette. Lediglich ein Prozent der Befragten gab an, regelmäßig auf Autobahnen unterwegs zu sein, aber keine Vignette zu besitzen. Die Autobahngesellschaft Asfinag hat 2012 mehr als eine halbe Milliarde Euro aus der Vignettenpflicht eingenommen und damit ein Drittel ihrer Aufwendungen abgedeckt. Neben der Vignettenpflicht für Autos gibt es seit 2004 für alle Fahrzeuge mit mehr als 3,5 Tonnen Gesamtgewicht eine fahrleistungsabhängige Lastwagenmaut. Deren Einnahmen betrugen im vergangenen Jahr 1,1 Milliarden Euro. Diskussionen über einen Wechsel von der zeitabhängigen Vignette auf eine fahrleistungsabhängige Gebühr auch für Personenwagen kommen immer wieder auf, doch ist ein solcher Systemwechsel in Österreich politisch kaum durchsetzbar. Das liegt daran, dass der Einfluss der beiden, den traditionellen Volksparteien SPÖ und ÖVP nahestehenden Autofahrerklubs ARBÖ und ÖAMTC groß ist. Zudem wäre wegen der Ausweichmöglichkeiten ein fahrleistungsabhängiges Entgelt für Personenwagen wohl nur unter Einbezug des höherwertigen Landesstraßennetzes möglich.

Der Ausbau von Autobahnen zwischen Wien und Bregenz ist weitgehend abgeschlossen. Eines der letzten vollendeten Autobahnprojekte wurde in Form einer öffentlich-privaten Partnerschaft (PPP) abgewickelt. Die nordöstliche Autobahnanbindung Wiens in Richtung Tschechien war im Dezember 2006 an die Bonaventura Straßen-Errichtungs GmbH, ein Konsortium aus Alpine Bau, Hochtief und Egis, vergeben worden. Unter den derzeitigen Rahmenbedingungen des Kapitalmarktes sei allerdings ein PPP-Modell sinnlos, heißt es in der Asfinag. Denn die Gesellschaft genieße höchste Bonität – so wurde vor wenigen Tagen eine von der Republik garantierte Anleihe über eine Milliarde Euro zu 1,75 Prozent begeben.