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Putsch und Verrat an der Moldau

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Nach der Wahl zerstreiten sich die Sozialdemokraten in Prag über ihre Haltung zu Präsident Zeman. Das Parteipräsidium will den Vorsitzenden Bohuslav Sobotka stürzen.

In der tschechischen Sozialdemokratie ist ein heftiger Machtkampf im Gange, der die Partei zu spalten droht. Das Parteipräsidium forderte am Sonntagabend mit 20 gegen 13 Stimmen den sofortigen Rücktritt des Parteivorsitzenden Bohuslav Sobotka. Zugleich schloss sie ihn aus der Delegation aus, die am Dienstag die Verhandlungen mit den anderen Parteien über die Bildung einer Regierung aufnehmen soll. Sobotka weigert sich, zurückzutreten und beschuldigt die Rebellen, die Autonomie der Partei aufgeben und sie Präsident Zeman ausliefern zu wollen.

Die seit langem schwelende Kontroverse zwischen den Gegnern und den Anhängern des Präsidenten Miloš Zeman hat sich nach dem unerwartet schlechten Abschneiden der sozialdemokratischen ČSSD bei den Parlamentswahlen am vergangenen Wochenende dramatisch zugespitzt, offenbar unter kräftiger Mithilfe des Präsidenten. Am Sonntag empfing Zeman den stellvertretenden Parteivorsitzenden Michal Hašek und weitere Exponenten des Zeman-Flügels der Sozialdemokratie auf dem Schloss der tschechischen Präsidenten im mittelböhmischen Lány. Sobotka war nicht eingeladen worden. Das Treffen, das ursprünglich geheim bleiben sollte, gelangte durch eine Indiskretion aus Parteikreisen an die Öffentlichkeit. Michal Hašek hatte noch am Wahlabend versichert, er werde die Nominierung Sobotkas zum Ministerpräsidenten unterstützen.

Putsch-Versuch habe mit dem Wahlergebnis nichts zu tun

Zeman selbst dementierte die Vermutung, er könnte sich gegenüber den Auseinandersetzungen in der stimmenstärksten Partei des Landes vielleicht doch neutral verhalten, kurz vor dem Beginn der Sitzung des Präsidiums in einem Interview mit der Zeitschrift Týden. Die ČSSD, sagte der Präsident, habe einen Stimmenanteil von 30 Prozent zu ihrem Wahlziel erklärt und weniger als 21 Prozent erhalten. Dies sei ihr „schlechtestes Ergebnis in der modernen Geschichte“. Ihr Vorsitzender habe selbstverständlich die Pflicht, sich seiner Verantwortung zu stellen und zurückzutreten.

Sobotka beschuldigt seine Gegner, einen „Putsch“ versucht zu haben, der darauf abziele, die Partei Zeman zu unterstellen. Mit dem Wahlergebnis habe der Beschluss des Präsidiums nichts zu tun, den Versuch, ihn zu stürzen, hätten die Zeman-Anhänger auch bei einem besseren Resultat unternommen. Statt sich auf die inhaltlichen Fragen des künftigen Regierungsprogramms zu konzentrieren, habe sich die Präsidiums-Mehrheit für einen „politischen Selbstmord“ entschieden, denn eine Partei, die sich den Launen des Präsidenten ausliefere, sei für einen großen Teil des sozialdemokratischen Elektorats unwählbar. Über seine Abberufung, sagte Sobotka, könne nur das Zentralkomitee der ČSSD in geheimer Abstimmung befinden, und dessen Entscheidung werde er respektieren. Indes wolle er jedoch auf dem Boden der Sozialdemokratie weiterhin deren Werte vertreten, zu denen auch die Einhaltung elementarer Regeln der Demokratie und die Verteidigung der Autonomie der Partei gehörten.

Machtkampf in der Führungsriege

Es sei unerhört, dass Sobotka einen Beschluss des Präsidiums nicht akzeptiere und den demokratisch gewählten Mitgliedern dieses Gremiums einen Putschversuch unterstellte, entgegnete kurz darauf Michal Hašek. Sobotka habe völlig die Fähigkeit zur Selbstreflexion verloren. Hašek forderte die rasche Einberufung des Zentralkomitees. Nach dem Abschluss der Verhandlungen der Parteien über die Regierungsbildung, an denen Sobotka nicht teilnehmen darf, sollte ein außerordentlicher Parteitag die Führungskrise in der Sozialdemokratie beenden.

In Prag war schon lange damit gerechnet worden, dass die ČSSD nach den Wahlen an der Frage der Haltung gegenüber dem Präsidenten zerbrechen könnte. Der Machtkampf in der Führungsriege droht sie jedoch noch vor der Konstituierung des neuen Parlaments zu spalten und mindert die ohnehin schon geringen Chancen, dass sich eine stabile Regierungsmehrheit bildet.

Koalition aus ČSSD, ANO und KDU-ČSL denkbar

Andrej Babiš, der mit seiner Partei ANO 18 Prozent der Stimmen erhielt und damit als der eigentliche Gewinner aus der Parlamentswahl hervorging, reagierte äußerst scharf auf die Vorgänge in der Sozialdemokratie. Er sei schockiert, sagte er, denn eine Spaltung der ČSSD würde die Lage noch weiter destabilisieren. Er hoffe, dass die Wähler nun verstünden, dass es den Parteien, die nach dem November 1989 entstanden seien, lediglich um Geld und Macht gehe. Die ČSSD habe die Pflicht, ihre Einheit zu bewahren, ihre Spaltung wäre ein Verrat an ihren Wählern. Er sei nicht gerade begeistert von der Perspektive, eine sozialdemokratische Minderheitsregierung im Parlament zu dulden, sagte Babiš, aber er sei bereit, dies zu tun, falls sie sich verantwortungsvoll verhalte und die Prioritäten seiner Partei ins Regierungsprogramm aufnehmen.

Die Zusammenarbeit zwischen der ČSSD, ANO und der kleinen christlich-demokratischen KDU-ČSL, sei es in einer Regierungskoalition oder durch die externe Unterstützung einer sozialdemokratischen Minderheitsregierung durch die anderen beiden Parteien, gilt als die einzige noch einigermaßen realistische Chance, eine Regierung bilden zu können. Pavel Belobrádek, der Vorsitzende der KDU-ČSL, warnte die Sozialdemokraten ebenfalls vor einer Spaltung ihrer Partei. Ihren eventuellen künftigen Partnern bleibe jedoch nichts anderes übrig, als abzuwarten und die Entscheidungen der sozialdemokratischen Gremien zu respektieren. Bei den nun beginnenden Verhandlungen zwischen den Parteien stünden programmatische Fragen im Vordergrund, er glaube nicht, dass sich die Spannungen in der ČSSD auf sie negativ auswirken würden.