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Peugeots China-Pläne ärgern General Motors

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Für GM wäre der Einstieg des chinesischen Autoherstellers Dongfeng bei Peugeot und die Teilverstaatlichung ein Ärgernis: Technologieklau droht. Und was wird aus der Allianz von Opel und Peugeot?

Eigentlich kann Stephen Girsky nichts, aber auch gar nichts aus der Ruhe bringen. In normalen Zeiten gibt sich der erfahrene Investmentbanker, ehemalige Gewerkschafsstratege und heutige Vizechef von General Motors (GM) als krisengestählter, eiskalter Rechner und Planer, den kaum etwas überraschen kann. Doch in diesen Tagen wirkt auch Girsky ein wenig nervös und leicht reizbar. Was ihn aus der Ruhe bringt, sind die sich verdichtenden Gerüchte über einen Eigentümerwechsel per Kapitalerhöhung bei dem tief in Schwierigkeiten steckenden französischen GM-Partner PSA Peugeot-Citroën.

Schon am kommenden Dienstag berät der Verwaltungsrat des Pariser Konzerns darüber, ob neue Aktien, die 60 Prozent aller Anteile ausmachen würden, an den chinesischen Autohersteller Dongfeng aus der Stadt Wuhan und an den französischen Staat verkauft werden sollen, um so die sich leerende Konzernkasse mit 3 Milliarden Euro aufzufüllen.

Der Name Dongfeng bedeutet „Ostwind“. Was dieser Ostwind mit sich bringen könnte, darüber hat Peugeot dem Partner GM noch nichts erzählt. „Wir hatten keinerlei Gespräche darüber. Wir wissen nicht, was sie tun werden, und wenn sie sich entscheiden, was sie tun, werden sie den Telefonhörer in die Hand nehmen und uns anrufen“, sagte Girsky kürzlich, sichtlich genervt, auf Nachfragen amerikanischer Journalisten. Der Manager warnte: Ob ein Einstieg von Dongfeng negativ auf die Allianz mit GM wirken würde, hänge davon ab, wie viel Kontrolle den Chinesen über Peugeot gegeben werde. Wichtig sei insbesondere, ob die beiden planten, gemeinsam Autos in China zu verkaufen, sagte Girsky.

Die Unruhe des Topmanagers ist kaum verwunderlich. Schließlich könnten die Pläne von Peugeot Girsky in eine sehr unangenehme Lage bringen. Denn sie gefährden die wichtige Allianz von Peugeot mit der ebenfalls angeschlagenen deutschen GM-Tochtergesellschaft Opel. Für deren Sanierung ist Girsky federführend verantwortlich, seit er aus der Detroiter Konzernzentrale an die Spitze des Opel-Aufsichtsrats entsandt wurde. Von seinem Erfolg als Chefaufseher in Rüsselsheim hängt auch seine persönliche Karriere ab. Gelingt Girsky das „größte Comeback der europäischen Autoindustrie“, wie es sich Opel-Chef Karl-Thomas Neumann erhofft, dann hat er gute Chancen, der nächste GM-Konzernchef zu werden.

GM ist mit 7 Prozent an Peugeot beteiligt

Für Opel und Peugeot spielt die Allianz, die im März 2012 mit dem Einstieg von GM mit 7 Prozent bei Peugeot begann, eine enorm wichtige Rolle für die dringend notwendige Senkung der Kosten. Nur so lassen sich die Milliardenverluste beider Hersteller endlich eindämmen. Die Zusammenarbeit startete mit dem gemeinsamen Einkauf von Komponenten in zweistelliger Milliardenhöhe, der Zusammenlegung der Logistikaktivitäten und der gemeinsamen Entwicklung neuer Van-Modelle. Inzwischen erstreckt sie sich auch auf die Entwicklung neuer sparsamer Motoren. Sogar die gemeinsame Produktion zweier Van-Modelle im spanischen Opel-Werk in Saragossa und am Peugeot-Stammsitz im ostfranzösischen Sochaux sind geplant. Alles dies stünde auf dem Spiel, wenn bei Peugeot demnächst Dongfeng und der französische Staat mitreden würden. Von den Chinesen müsste GM befürchten, dass sie einen Technologietransfer fordern und durchsetzen würden. Die Regierungsvertreter dagegen könnten die geplante Sanierung, die sowohl bei Opel als auch bei Peugeot mit dem Abbau Tausender Arbeitsplätze und der Schließung von jeweils einem Werk verbunden ist, verzögern oder sogar blockieren.

Um das verlässlich zu verhindern, bliebe Girsky im Falle des Einstiegs von Dongfeng und der Teilverstaatlichung von Peugeot eigentlich nur ein Ausweg. Er müsste die Notbremse ziehen. Sollten sich die Eigentumsverhältnisse beim Partner ändern – „change of control“ nennt sich das in der Fachsprache der Investmentbanker -, darf die jeweils andere Seite laut Vertrag die Geschäftsbeziehung aufkündigen. Das wäre den Unterlagen zufolge, die bei der Börsenaufsicht eingereicht wurden, dann der Fall, wenn Peugeot einen Anteil von mindestens 10 Prozent an einen Konkurrenten verkauft. Offiziell lässt GM aber verlauten, dass man die derzeitige Beziehung nicht auflösen werde, wenn Dongfeng oder die französische Regierung bei Peugeot einstiegen.

Genau das ließ sich zuvor aber in einem vergleichbaren Fall beobachten: Vor dem Einstieg von GM bei Peugeot hatten die Franzosen nämlich eine enge Kooperation mit dem deutschen BMW-Konzern – für kleine Motoren und für Hybridtechnik. Nach dem GM-Einstieg wiegelte BMW-Chef Norbert Reithofer zunächst ab und versicherte, die Zusammenarbeit werde fortgesetzt. Doch bald darauf wurde das Gemeinschaftsunternehmen für die Hybridtechnik aufgelöst und die Motorenlieferung beendet. Der Grund: Die Autokonzerne wollen sich von keinem Konkurrenten unkontrolliert in die Karten schauen lassen, wenn es um ihre neuesten Technologien geht. Hinzu kommt noch, dass GM mit seinem chinesischen Partner SAIC Probleme bekommen könnte. SAIC könnte sein Veto gegen eine fortgesetzte Zusammenarbeit mit Peugeot erheben, wenn die Franzosen beginnen, gemeinsam mit Dongfeng zum neuen Rivalen für SAIC zu werden.

Auch wenn es noch diverse rechtliche Hürden gibt, ist der Eigentümerwechsel bei Peugeot aber durchaus vorstellbar. Zwar verfügt die Gründerfamilie Peugeot noch immer über eine Sperrminorität, mit der eine Kapitalerhöhung blockiert werden kann. Doch der Clan hatte schon im Juni seine grundsätzliche Bereitschaft angedeutet, die Kontrolle abzugeben. Allerdings sind sich nicht alle Familienmitglieder einig: Einige wollen kein frisches Kapital mehr nachschießen, andere wollen ein Mindestmaß an Kontrolle über das Unternehmen behalten.

Fest steht nur eines: Peugeot braucht dringend Geld, um seine Rückzahlungsverpflichtungen in Milliardenhöhe erfüllen und gleichzeitig in neue Modelle investieren zu können. Kommt kein Geld aus China oder von der Regierung, dann müssten andere Partner einspringen. General Motors hat dies jedoch schon mehrmals abgelehnt. Die Amerikaner haben mit ihrem Aktienpaket schlechte Erfahrungen gemacht. Für Milliarden eingekauft, sind die Titel inzwischen nur noch einige Hundert Millionen Euro wert.