Europäische Union

Israel empört über neue EU-Förderrichtlinien

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So klar wie nie zuvor unterscheidet die EU-Kommission zwischen Israel und den besetzten Gebieten. In letztere soll kein EU-Geld mehr fließen. Die israelische Regierung nennt das „einen großen Fehler“.

Die israelische Regierung hat empört auf die neuen Förderrichtlinien der Europäischen Kommission reagiert, die so deutlich wie nie zuvor zwischen Israel und den besetzten Gebieten unterscheiden. Künftige Abkommen zwischen der EU und Israel sollen eine Klausel enthalten, nach der die Unterstützung der EU-Kommission nicht israelischen Projekten im besetzten Westjordanland, dem arabischen Ostteil Jerusalems und den 1967 von Israel eroberten Golanhöhen zugutekommen dürfen.

Die Europäer machten „einen großen Fehler“, sagte der stellvertretende israelische Außenminister Zeev Elkin am Dienstag im Armeerundfunk. Der Beschluss werde die Palästinenser darin bestärken, nicht mit Israel zu verhandeln. Nach Ansicht des für die Entwicklung von Galiläa und des Negevs zuständigen Ministers Silvan Schalom hat sich Europa damit als Vermittler im Nahost-Konflikt disqualifiziert: „Europa hat bewiesen, wie realitätsfremd es geworden ist, und kann kein vollwertiger Verhandlungspartner mehr sein“, sagte er. Israel müsse jetzt stark sein und dürfe sich dabei nicht nach den „Launen“ Europas richten, verlangte die Parlamentsabgeordnete Ajelet Schaked von der Partei „Jüdisches Heim“, die den Siedlern nahesteht. Die palästinensische Politikerin Hanan Aschrawi lobte indes die EU dafür, dass sie endlich ihren Ankündigungen Taten folgen lasse. Die von der EU unterstützten Projekte in den palästinensischen Autonomiegebieten bleiben von den neuen Richtlinien unberührt.

In Brüssel wies eine Sprecherin der EU darauf hin, dass die Kommission nur eine „Klarstellung“ ihrer bisherigen Politik beschlossen habe, um die das Europäische Parlament gebeten habe. Seit langem erkenne die EU die israelische Besatzung der Golanhöhen, des Westjordanlandes, des Gazastreifens und Ostjerusalems nicht an, weshalb sie nur Abkommen mit Israel schließen könne, die sich auf das israelische Staatsgebiet vor dem Juni 1967 bezögen. Die israelischen Siedlungen in den Palästinensergebieten seien völkerrechtlich illegal. Diese Position hätten die Außenminister der Mitgliedstaaten zuletzt im Dezember vergangenen Jahres noch einmal bestätigt.

Die jetzt bekanntgewordenen Richtlinien der Kommission, die schon Ende Juni beschlossen worden waren, übertragen diese Grundsätze auf die neue mehrjährige Finanzplanung der EU von 2014 bis 2020. Danach können israelische Einrichtungen, die ihren Sitz in den besetzten Gebieten haben, keine Preisgelder, Stipendien oder finanzielle Förderung von der EU erhalten. Das soll in Abkommen mit Israel oder anderen Parteien schriftlich festgehalten werden. Die Sprecherin sagte, schon in der Vergangenheit habe man vor allem Einrichtungen in Israel selbst gefördert. Nur in einer „kleinen Anzahl“ von Fällen hätten auch israelische Einrichtungen in den Palästinensergebieten EU-Geld erhalten. Die Kommission wolle weiterhin, dass Israel „vollständig“ an den Förderprogrammen der EU teilnehme. So werde gegenwärtig über Abkommen zur Forschung, Polizeizusammenarbeit und zur sozialen Sicherheit verhandelt.

In Jerusalem kann man sich trotzdem nicht vorstellen, dass zum Beispiel Wirtschaftsminister Naftali Bennett ein Abkommen mit der EU unterzeichnet, in dem steht, dass die Siedlungen nicht Teil des Staates Israel sind. Bennetts Partei „Jüdisches Heim“ verlangt, große Teile des Westjordanlands samt den Siedlungen Israel anzugliedern. Andere Regierungsvertreter sind verärgert darüber, dass die EU versuche, im Siedlungsstreit ihre Position zu „diktieren“. Das entspreche nicht den partnerschaftlichen Beziehungen, die man bisher unterhalten habe. Die Folge könnte daher sein, dass sich Israel stärker von Europa abwende und neue Partner und Unterstützung in den Vereinigten Staaten und in Asien suchen werde, hieß es aus Regierungskreisen. Israelische Diplomaten sind zudem darüber verstimmt, dass die israelische EU-Vertretung nur wenige Tage vor dem Beschluss am 30. Juni über die Pläne der Kommission informiert worden sei. Es habe nicht genügend Zeit gegeben, um vernünftig darüber zu verhandeln, lautet der Vorwurf.

In Jerusalem beklagt man schon seit längerer Zeit eine zunehmend Israel-feindliche Stimmung in Brüssel. Jetzt sei bei der EU offenbar die „Zeit des Zuckerbrots“ vorüber und man setze die „Peitsche“ ein, sagte am Dienstag der israelische Parlamentsabgeordnete Nachman Schai von der Arbeiterpartei.

Die EU arbeitet derzeit auch an neuen Richtlinien für eine genauere Kennzeichnung israelischer Produkte. Dadurch soll vermieden werden, dass Erzeugnisse aus den Siedlungen in Europa weiterhin mit dem Etikett „Hergestellt in Israel“ verkauft werden. Israelische Politiker waren in diesem Zusammenhang über die Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen überrascht, die unmissverständlich klarstellte, dass diese Bezeichnung nur für Produkte gelten sollte, die „innerhalb der Grenzen von 1967“ hergestellt wurden.

Anfang Juli hatte die israelische Justizministerin Zipi Livni davor gewarnt, dass das Ausbleiben neuer Friedensverhandlungen für Israel wirtschaftliche Folgen haben könnte. In Europa mehrten sich schon die Forderungen nach einem Boykott Israels, sagte die Ministerin, die in der Regierung auch für Verhandlungen mit den Palästinensern zuständig ist. Anlass für ihre Warnung waren angeblich Hinweise darauf, dass führende Berater europäischer Banken und Fonds erwägen in ihren Empfehlungen davon abzuraten, in israelische Unternehmen und Finanzinstitute zu investieren, die in den besetzten Gebieten Geschäfte machen.

Die Europäische Union ist der wichtigste Handelspartner Israels. 34,4 Prozent aller Importe kamen im vergangenen Jahr nach offiziellen Statistiken aus EU-Mitgliedstaaten nach Israel. Dabei handelte es sich um Waren im Wert von 25,1 Milliarden Dollar. Nach den Vereinigten Staaten ist die EU mit rund 26 Prozent zudem der zweitwichtigste Absatzmarkt für israelische Produkte und Dienstleistungen.