Auto & Verkehr

4×4 geht noch eine Nummer kleiner

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Von 2015 an wird die Geländewagen-Familie auch bei VW auf mindestens fünf Baureihen anwachsen. Die größte Überraschung ist ein ganz kleines Modell, der vom VW Up abgeleitete Taigun.

Egal, welch kräftige Dellen die Konjunkturkurve auch bekommen mag: Geländewagen lassen sich davon offenbar genauso wenig beeindrucken wie von Bodenwellen oder Schlammlöchern. Größere und kleinere SUV sind nach wie vor die Fahrzeugart mit den allerbesten Erfolgsaussichten beim Käufer. Entsprechend stehen sie bei den Herstellern besonders hoch im Kurs.

Mercedes hat vom GLA bis zum G-Modell bald fünf Offroad-Baureihen im Programm. Bei BMW ist zwischen X1 und X6 demnächst nur noch bei der Zwei eine Lücke. Und Audi will nach den ungeraden Ziffern hinter dem Q jetzt als Nächstes die Geraden in Angriff nehmen und dann von der Zwei bis zur Sieben hinaufzählen. Nur VW hat diesen Zug mal wieder an sich vorbeifahren lassen. Denn mehr als den mittlerweile ziemlich angegrauten Tiguan in der Kompaktklasse und den Touareg im Luxussegment haben die Niedersachsen nicht zu bieten. „Noch nicht“, sagt Entwicklungsvorstand Ulrich Hackenberg und verspricht baldige Abhilfe.

Auf breiter Front wollen die Niedersachsen ihren Nachholbedarf stillen und mittelfristig mindestens fünf Baureihen in zum Teil mehreren Karosserievarianten auf die Buckelpiste schicken. „Rein theoretisch sind mit unseren Baukästen sogar sieben SUV für Volkswagen denkbar, aber das heißt natürlich nicht, dass wir die alle auch machen müssen“, sagt Hackenberg.

Im Zentrum aller Planungen steht dabei auch weiterhin der Tiguan. Er wird jetzt in den „Modularen Querbaukasten“ (MQB) integriert, die Plattform, auf deren Grundlage VW seine Fahrzeuge konzipiert und baut. Wahrscheinlich Anfang 2015 wird der Tiguan, der sich den MQB mit dem Golf teilt, seinen überfälligen Generationswechsel erfahren. Wurde dieser VW-Bestseller außerhalb Europas schon bislang mit verlängertem Radstand angeboten, sind die Entwickler dank des MQB noch flexibler geworden. Deshalb wird es den Tiguan künftig nicht nur auf der ganzen Welt mit zwei unterschiedlichen Längen geben, sondern auch in einer etwas schnittigeren Variante mit der Dachlinie eines Coupés. Die Studie CrossCoupé gilt hier als stilistische Vorlage, deuten die Designer an.

Auch wenn der Tiguan in die Länge geht, ist die Lücke zum Touareg groß genug für mehr. „Vor allem beim Preis“, sagt Hackenberg, der dabei insbesondere an den amerikanischen Markt denkt. In den Vereinigten Staaten haben ebenso große wie günstige Geländewagen längst den Van als Familienkutsche und Peoplemover abgelöst. Wo der vom Chrylser Voyager abgeleitete und bei den Amerikanern im Lohnauftrag gebaute Routan nie so recht punkten konnte, soll deshalb jetzt ein eigenes Modell mit echten Genen eines Geländewagens her.

Intern wird gern vom „Passat SUV“ gesprochen. Dieses Auto soll deutlich weniger kosten, zugleich aber auch deutlich mehr Platz bieten als der feudale Touareg. Um dieses Ziel zu erreichen, wird man sich der Bodengruppe – und wohl auch der Fabrik des amerikanischen Passats – bedienen. „Sieben Sitze in drei Reihen sind gesetzt“, sagt Hackenberg und lenkt den Blick auf die riesige Detroit-Studie CrossBlue, die den Entwicklern den Weg zu diesem außer für Amerika auch für China sehr interessanten Modell in der Fünf-Meter-Klasse weisen soll.

Während in der neuen Welt für Geländewagen auch weiterhin die Maxime „the bigger, the better“ gilt, setzt VW für die alte Welt auf Downsizing. „Wir brauchen auch ein SUV unterhalb des Tiguan“, sagt Hackenberg mit Blick auf den Erfolg etwa des Opel Mokka oder von Neuheiten wie dem Peugeot 2008, dem Renault Captur und dem kommenden Ford EcoSport: „Dieses Segment des kleinen SUV boomt, und wir wären gut beraten, wenn wir das Geschäft nicht den anderen Herstellern überließen“, sagt Hackenberg. Er hofft dabei abermals auf einen Griff in den Modularen Querbaukasten. Dieser Satz von Komponenten, die sich für unterschiedliche Modelle nutzen lassen, biete allemal die nötige Flexibilität, auch einen kleineren Geländewagen samt Allradantrieb zu entwickeln. Ein vom Polo abgeleitetes SUV von etwa 4,20 Metern Länge sei deshalb einfach nur eine Frage der Zeit, hört man in Wolfsburg.

Der Polo fürs Grobe als die Antwort aus Wolfsburg auf den Opel Mokka, das Tiguan Coupé pariert den BMW X4, und der große Geländepassat zielt auf Ford Explorer oder Jeep Cherokee. Kommt also wieder einmal alles wie immer: VW überlässt es den anderen, einen Trend anzuschieben, springt als Letzter auf den Zug auf und macht am Ende trotzdem den größten Schnitt?

Nicht ganz, denn am unteren Ende der SUV-Palette reift ein ganz kleiner Geländewagen, der das Zeug zur großen Überraschung hat: Der Taigun. Er steht auf der im Radstand um fünf Zentimeter gestreckten Plattform des VW Up. Und der Taigun ist schon so weit durch die Instanzen, dass VW bereits zur ersten Testfahrt gebeten hat.

Zwar sitzen wir dabei noch am Steuer einer handgeschnitzten Designstudie. Doch die hat viel mehr Bodenhaftung als die ganzen anderen SUV-Schaustücke der letzten Messen: „Alles an diesem Auto ist so gemacht, dass man es fast unverändert in die Serie übernehmen könnte“, sagt Martina Biene. Sie leitet das Produktmarketing für die kleinen Baureihen und hofft, dass VW hier tatsächlich mal den „First Mover“ macht und so einen Trend setzt.

„CrossOver-Modelle gibt es mittlerweile in allen Klassen“, sagt die Expertin, „nur in das von uns A00 genannte Segment der ganz kleinen Kleinwagen ist diese Idee noch nicht vorgedrungen. Das wollen wir ändern.“ Schließlich werden in dieser Fahrzeugklasse rund um die Welt fast neun Millionen Autos im Jahr verkauft, Tendenz steigend.

Nach offizieller Wolfsburger Sprachregelung zum Taigun gilt zwar immer noch der Konjunktiv als erste Wahl. Doch wird Martina Biene zum Beispiel bei den Märkten schon so konkret, als hätte dieser Tiguan für die Westentasche bereits den Segen des Vorstands. Immerhin haben sich offenbar schon Werke in Südamerika, Indien und Europa um die Fertigung für das Auto beworben, das in den Pampas von Argentinien genauso punkten kann wie im Punjab oder in Paderborn.

Auch was unter der Haube stecken soll, ist offenbar längst geklärt: Die Studie fährt mit einem 110 PS starken Turbo-Dreizylinder, wie er demnächst im Up-GT kommt, und macht damit einen ziemlich munteren Eindruck. Kein Wunder. Schließlich treffen hier 175 Nm auf nicht einmal 1000 Kilo. Das reicht in der Theorie für 186 km/h Spitze bei trotzdem nur 4,7 Liter Verbrauch. Dazu plant Biene aber auch mit den Einliter-Saugern mit 60 oder 75 PS aus dem Up und am liebsten auch schon mit einem Diesel, der den Verbrauch deutlich unter vier Liter drücken würde. Schließlich sagt ja keiner, dass ein SUV grundsätzlich ein Säufer sein müsse.

Was allerdings noch nicht so richtig klar ist, das ist die Sache mit dem Allradantrieb. Die eine Partei unter Entwicklern und Entscheidern glaubt, auch auf dem Taigun müsste ein „4Motion“-Schriftzug prangen, und zwar damit man ihm seine ernsthafte Absicht, ein kleines, aber richtiges SUV zu sein, auch abnimmt. Die anderen dagegen würden sich gern den hohen, im Millionenbereich mindestens zweistelligen, vielleicht sogar dreistelligen Betrag für den Entwicklungsaufwand lieber sparen. Dadurch ließe sich der Preis für den SUV-Zwerg noch deutlicher unter 16 000 Euro drücken.

Doch egal, wie diese Diskussion am Ende ausgeht: Wie immer bei VW dauert alles ein bisschen länger. Aber zum Ende des Jahrzehnts wollen die Niedersachsen in Sachen SUV endlich zur Konkurrenz aufgeschlossen haben mit mehr Matschpiloten im Programm als jeder andere Volumenhersteller. Dann können die Schlaglöcher ruhig kommen – auf Straße und Konjunkturkurve.