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Merkel: 2017 besser dastehen als heute

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In der ersten Runde der Koalitionsverhandlungen haben sichUnion und SPD auf den weiteren Fahrplan verständigt. Am30. Oktober soll es in großer Runde zunächst um Europa gehen.

Die Führungen von CDU, CSU und SPD haben am Mittwoch bei ihrem ersten offiziellen Koalitionsgespräch verabredet, als erstes die europapolitischen Themen einschließlich der Währungsfragen intensiver zu befassen. Dahinter steht die Auffassung, die Differenzen auf diesem Feld seien leichter zu beseitigen als auf anderen Gebieten. Die zuständige Arbeitsgruppe „Finanzpolitik“, zu der eine Untergruppe („Bankenregulierung, Europa, Euro“) gehört, wurde beauftragt, bis Mittwoch kommender Woche eine Vorlage auszuarbeiten. Dann solle sich die „Große Runde“ von 75 Politikern der drei Parteien damit intensiver befassen und – wenn möglich – erste Entscheidungen treffen.

Die Runde der 75 traf sich am Mittwochmittag um zwölf Uhr – dieses Mal im Konrad-Adenauer-Haus der CDU. Die CDU-Vorsitzende, Bundeskanzlerin Angela Merkel, hieß die SPD-Delegation „herzlich willkommen“. Vor der Bildung der großen Koalition 2005 habe die große Runde aus 55 Politikern bestanden. Dass es nun 75 seien, kennzeichne eine „gewisse Entwicklung“. Es sei von Bedeutung, im Koalitionsvertrag nicht bloß „Prüfaufträge“ festzuhalten, sondern Entscheidungen zu treffen- damit erinnerte Merkel indirekt an die – in der Union zugegebenen – Fehler des Koalitionsvertrages 2009 mit der FDP. 2017 solle das Land besser dastehen als heute, sagte Merkel. Sie sicherte der SPD nach Angaben von Teilnehmern „faire Verhandlungen“ zu.

Als ein Zeichen des Einvernehmens wurde gewertet, dass der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer, von Merkel um „Ergänzungen gebeten, dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel bei den Eröffnungsreden den Vortritt ließ. Gabriel sagte, er sei optimistisch, dass in den Verhandlungen Ergebnisse gefunden und nicht bloß gegenseitig die Wahlprogramme vorgelesen würden. Die große Koalition müsse über vier Jahre – also bis zum Ende der Wahlperiode – erfolgreich sein. Als freundliche Selbstironie Gabriels wurde in der Union dessen Hinweis verstanden, die Erkenntnis, Regieren könne Freude machen, wachse nun in der SPD, auch wenn das manchmal etwas dauere. Seehofer sagte, schon bei den Sondierungsgesprächen sei ein „Fundament an Vertrauen“ gelegt worden. Auch der CSU-Vorsitzende wurde von Teilnehmern als überaus freundlich empfunden. Die CSU-Forderung nach einer Pkw-Maut wurde in der großen Runde nicht erörtert. Sie soll – trotz ihrer europapolitischen Bezüge – in der Arbeitsgruppe „Infrastruktur“ geklärt werden.

Steinbrück ergriff nicht das Wort

Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) hatte ein „Organigramm“ mit den diversen Zuständigkeiten der verschiedenen Gremien und Arbeitsgruppen verteilen lassen. Er trug vor, die große Runde der 75 sei das Entscheidungsorgan. Die zwölf Arbeitsgruppen und vier Untergruppen hätten ihre Ergebnisse der „Steuerungsgruppe“ vorzulegen, die aus Pofalla, den Generalsekretären Hermann Gröhe (CDU), Alexander Dobrindt (CSU), Andrea Nahles (SPD) und dem Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Fraktion Thomas Oppermann besteht. Pofalla erläuterte, diese Gruppe sei das „Exekutiv-Organ“ der Koalitionsverhandlungen. Sie könne Berichte an die Arbeitsgruppen zurückgeben, falls sie nicht genügten. Sie bestimme auch über die Tagesordnung der großen Runde. Das „Eigenleben“ der Arbeitsgruppen soll damit begrenzt werden. Pofalla erläuterte, die Fehler bei Koalitionsverhandlungen von 2005 und 2009 sollten nicht wiederholt werden. Für die SPD sprach dann Nahles. Sie wird in der Union als das „Pendant“ zu Pofalla wahrgenommen. Nachdem sie das „Organigramm“, das in der Steuerungsgruppe entwickelt worden war, ebenfalls gutgeheißen hatte, war es beschlossen. Später sagte Dobrindt: „Die große Runde löst große Probleme.“

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier erinnerte bei der Verhandlung an das Erfordernis, Ende November müsse der Bundestag Auslandsmandate der Bundeswehr verlängern, darunter den Marine-Einsatz am Horn von Afrika. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende und nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft teilte mit, wegen einer Konferenz der Ministerpräsidenten der Länder an diesem Donnerstag und Freitag könne sie erst danach in ihrer Arbeitsgruppe zur Energiepolitik tätig werden. Das wurde – jedenfalls in der Union – nicht als Blockadeversuch wahrgenommen. Der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück ergriff nicht das Wort. Da die große Runde gut vorbereitet war, konnte sie schon nach 90 Minuten statt der zuvor veranschlagten fünf Stunden beendet werden. Die Stimmung wurde als überaus freundlich beschrieben. Die Mitglieder der Runde hätten sich fast alle gegenseitig per Handschlag begrüßt. Es wurde registriert, dass CDU und SPD denselben Caterer engagiert hätten, was 2005 nicht der Fall gewesen sei.

Nahles: Gewisse Grundspannung

Vor Beginn der Sitzung zeigte sich Oppermann optimistisch, die Arbeit in vier Wochen zu bewältigen. Steinmeier sagte, „beide Parteien haben ein Interesse daran, dass eine möglichst große Präsenz sichergestellt ist aus Fraktionen und Parteien“. Der neue Bundestagsvizepräsident Peter Hintze (CDU) lobte die Idee, möglichst viele Politiker aus unterschiedlichen Sachbereichen jetzt schon zusammenzufassen, um alle strittigen Fragen klären zu können. In der SPD hieß es indes, die Größe der zwölf Arbeitsgruppen werde dazu führen, dass viele Konflikte nicht gelöst und nach oben delegiert würden. Deshalb müssten am Ende doch die drei Parteivorsitzenden viele Streitfragen klären.

Nahles sagte zu ihrem Besuch in der CDU-Zentrale, es gebe bei ihr eine gewisse Grundspannung. Selbige dürfte sie am Vortag verspürt haben, als sie die SPD-Listen für die Arbeitsgruppen zu erstellen hatte. Dabei galt es vielfältige Quoren zu beachten: Ost/West, Mann/Frau, Parteilinke/Parteirechte und die Gewichtung der Landesverbände. Für mehrere Ko-Vorsitze gab es mehrere Bewerber. Auch gibt es das Problem, dass die Querschnitts-Arbeitsgruppen mit den Sprechern der Bundestagsausschüsse und stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden besetzt wurden. Die stammen aber noch aus der letzten Legislaturperiode, die neuen werden erst in den nächsten Wochen gewählt. Da in vielen Arbeitsfeldern ein Generationenwechsel stattfindet, klagten jüngere Abgeordnete nun, die scheidenden würden den Koalitionsvertrag aushandeln, sie aber hätten ihn am Ende umzusetzen.