Klima

Ökoschwamm, Supergras, Nordpolarloch

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Was macht eigentlich die Apokalypse? Unser Glossenticker mit ernsten Nachrichten zum Klimawandel und ihren (weniger ernsten) Pointen. Ein Update mit dem Waldwunder, mit Gerüchten um den Weltklimarat IPCC und dem ominösen Eiszuwachs in der Arktis.

+++ 25. September. Lücke weiter geschlossen. Während der Weltklimarat IPCC noch bis Freitag auf seiner Vollversammlung in Stockholm daran arbeitet, der Klimapolitik mit möglichst konkreten Zahlen und wissenschaftlichen Fakten auf die Sprünge zu helfen, sorgen Sozioökologen aus dem Forststaat Österreich für mehr Klarheit im Kohlenstoffhaushalt des Planeten. Es geht um rund 2,5 Milliarden Tonnen Kohlenstoff. Das ist etwa ein Drittel der Kohlenstoffmenge, die jedes Jahr weltweit durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe in die Luft geblasen wird. Die 2,5 Milliarden Tonnen verschwinden aus der Atmosphäre, ohne dass bisher zweifelsfrei geklärt werden konnte, wohin genau. Die Wälder in den höheren Breiten gelten seit längerem als ein Kandidat fürdie heimliche Kohlenstoffspeicherung. Jetzt hat Karls-Heinz Erb vom Wiener Institut für Soziale Ökologie die sehr umfangreichen Daten der österreichischen Forstverwaltungen ausgewertet, Computermodelle damit gefüttert und herausgefunden: Jawohl, 30 bis 40 Prozent dieser residual sink seien auf die veränderte Bewirtschaftung der Wälder zurückzuführen. Schon vor der Mitte des vergangenen Jahrhunderts hat sich die veränderte Waldbewirtschaftung und damit der der Nährstoffhaushalt entscheidend verändert. Früher wurde nicht nur mehr Holz, sondern auch viel Spreu und Holzmaterial aus den Wäldern heraus geschafft und landete in den Viehställen. Diese Art der Waldnutzung „hat nicht zuletzt aufgrund der Verfügbarkeit von Fossilenergie an Bedeutung verloren“, wie die internationale Forschergruppe um Erb in „Nature Climate Change“ berichtet. Seitdem die Kühe wochenweise abwechselnd mit hochwertigem Superbenzin und Diesel gefüttert werden, hat sich die Milchleistung drastisch erhöht und das Interesse an der Waldstreu ist sukzessive zurück gegangen. Leider werden fossile Energieträger immer knapper und unbeliebter. Die österreichischen Sozioökologen plädieren deshalb dafür, aus dem Horn der Rinder Biodiesel herzustellen und die festen Reststoffe flächendeckend über die nährstoffhungrigen Wälder abzuwerfen, notfalls per Hubschrauber.+++

+++ 15. September. Das tropische „Supergras“ Brachiaria hat in Feldversuchen bewiesen, was es kann: Es reduziert radikal die Emission von Stickstoffoxiden, insbesondere Lachgas, das aus Ackerböden strömt. Darüber berichteten mehrere Forschergruppen des International Center for Tropical Agriculture (CIAT) auf einem Treffen in Sydney. Wird Brachiaria in der Fruchtfolge etwa mit Mais angebaut, spart der Landwirt ohne große Ernteeinbußen die Hälfte des Stickstoffdüngers. Etwa ein Drittel der Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft gehen auf die Stickoxidproduktion zurück. Brachiaria, ein Süßgras mit afrikanischer Abstammung, ist inzwischen auch in Mittel- und Südamerika dank deutscher Entwicklungszusammenarbeit verbreitet. Es zeichnet sich in den Wurzeln durch einen Mechanismus aus, der dafür sorgt, dass der Stickstoff im Boden gebunden und nicht so schnell durch Mikroben freigesetzt wird. CIAT-Wissenschaftler haben inzwischen in Kolumbien und Nicaragua neue Hybridsorten entwickelt, die die Stickstoffverbindungen bis zu viermal so effizient wie bisher im Boden binden. „70 Prozent der 150 Millionen Tonnen Stickstoffdünger, die heute in der Landwirtschaft verwendet werden, gehen vor allem durch Lachgas-Leckagen verloren“, klagt das CIAT. Das sei ein Elend. Das tropische Supergras soll deshalb verstärkt auch in den reichen Ländern der gemäßigten Breiten vertrieben werden. Öffentliche Rasenflächen sollen nur noch mit Brachiaria bepflanzt werden dürfen. Die globale Erwärmung könnte den Anbau erleichtern. Dann wäre zwar dank Brachiaria weniger Lachgas in der Luft, aber die Menschen hätten trotzdem mehr zu lachen. +++

+++ 12. September. Die sommerliche Eiskappe in der Arktis ist gewachsen. Das gilt jedenfalls, wenn man die Eisfläche mit der Ausdehnung des Meereises im Minusrekordjahr 2012 vergleicht. In Deutschland hat das angeblich noch niemand bemerkt. Die „Daily Mail“ hat getitelt: „Und jetzt ist plötzlich eine globale Eiszeit“. Das hat die Massen elektrisiert. Mehr als 170.000 mal wurde der Online-Artikel geteilt, weit mehr als tausendmal kommentiert. Ein Klick weiter, auf der regelmäßig aktualisierten (und interaktiven) Seite des amerikansichen National Snow and Ice Data Center wird gezeigt, dass die übliche Sommerschmelze fast an ihrem jährlichen Tiefpunkt ist und am 10. September 5,14 Millionen Qudratkilometer erreicht hat. Das ist sogar 68 Prozent mehr als ein Jahr davor. Aber immer noch deutlich weniger als das langhährige Mittel der Jahre 1981 bis 2010. Die Antarktis verzeichnet zur gleichen Zeit eine Rekordvereisung. Also wirklich Eiszeit? Das National Ice and Data Center hat sich längst darauf eingestellt und verweist in der davor veröffentlichten August-Bilanz auf „ein echtes Loch nahe dem Pol ( „A real hole near the Pole“). Das reimt sich, passt aber so gar nicht zu den Erläuterungen, die unter diesem Titel stehen. Dafür hat man eine Erklärung für die enorme Packeis-Variabilität im Norden: „Der Sommer in der Arktis war kalt“. Die Daily Mail ihrerseits hat beschlossen, sich weiter im warmen Online-Klickbad zu suhlen und will eine einstweilige Verfügung erwirken. Mit der soll den Klimaforschern bis zum Abschluß der Untersuchungen hauseigener, anerkannter Klimaskeptiker untersagt werden, von einer globalen Erwärmung zu sprechen. +++

+++ 11. September. Der Weltklimarat IPCC in Genf weist Berichte zurück, wonach der Rat eine Krisensitzung einberufen haben soll. Das IPCC werde wie vorgesehen vom 23. bis 26. September eine Sitzung haben, um den Beitrag der Arbeitsgruppe I zum fünften Sachstabsbericht zu vollenden. „Das ist seit mehreren Jahren geplant“, heißt es in einem Adhoc-Statement des Rats. Daraufhin hat sich Rusland eingeschaltet. Präsident Putin hat dem Klimarat vorgeworfen, hinter seinem Rücken einen Klimasicherheitsrat installieren zu wollen, der sich von den westlichen Mächten instrumentalisieren und zum umweltpolitischen Erstschlag gegen Russland ausholen wolle. Diesen Klimaterrorismus werde man rigoros bekämpfen, wenn es sein muss auch die Greenpeace-Flotte beschlagnahmen und unter russischer Flagge in den Kampf gegen die Westmächte ziehen lassen. +++