Essen & Trinken

„Für uns ist der Weinberg der Held“

• Bookmarks: 9


Aus Neuseeland kommen interessante Weine. Wir trinken mit dem gebürtigen Österreicher Rudi Bauer, der sich mit Pinot noirs einen Namen gemacht hat, und seinem Winzerkollegen Michael Herrick Spätburgunder aus Alter und Neuer Welt.

Herr Bauer, Sie sind Österreicher, leben und arbeiten aber seit 25 Jahren in Neuseeland. Was hat Sie ans andere Ende der Welt verschlagen?

Bauer: Am Anfang hatte ich nur eine Arbeitsgenehmigung für sechs Monate. Aber daraus sind irgendwie 25 Jahre geworden – wohl auch, weil ich mich nicht nur in das Land, sondern auch in eine wunderschöne Frau verliebt habe. Der Rest ist Geschichte.

Fühlen Sie sich inzwischen als Neuseeländer?

Bauer: Nein, nein, ich bin Österreicher. Daran wird sich natürlich auch nichts ändern. Aber meine Frau und meine Kinder, die sind klassische Kiwis.

Neuseeland ist in Deutschland in erster Linie für sein Lammfleisch und als Kulisse für die „Herr der Ringe“-Filme bekannt. Neuseeländische Weine sind noch nicht sehr verbreitet. Was ist das besondere an diesen Tropfen?

Bauer: Ihre Reinheit, ihre Klarheit und der enorm präzise Ausdruck der Rebsorten. Das macht unsere Weine so besonders. Ich habe hier meinen Quartz Reef Bendigo Estate Pinot noir von 2011, mein bester Lagenwein. Probieren Sie, dann wissen Sie, was ich meine.

Hm, viel dunkle Frucht, Kräuter und Heu in der Nase und im Mund sehr komplex, voll und fruchtig.

Bauer: Ja, es ist dieser Ausdruck von süßer Frucht und Gewürzen, der den Pinot noirs aus Neuseeland ihren besonderen Charakter verleiht und sie so trinkbar macht. Das gilt im Übrigen auch für alle andere Traubensorten, die wir kultivieren.

Mr. Herrick, was sagen Sie: Was zeichnet die Weine Ihrer Heimat aus?

Herrick: Sie alle haben eine intensive Ausstrahlung und eine Lebendigkeit, die typisch für Neuseeland ist. Aber Pinot noir hat darüber hinaus die Fähigkeit, dem Land, auf dem er wächst, einen Ausdruck zu verleihen, dem Terroir, wenn Sie so wollen. Und Rudis Bendigo Estate spiegelt unsere Region, Central Ortago, perfekt wider.

Wie sind Sie denn auf dieses Gebiet gestoßen? Vor Ihnen gab es dort doch praktisch keinen Weinbau, nur ein paar Goldschürfer vor 150 Jahren.

Bauer: Ach, es war die unglaubliche Schönheit der Landschaft, und irgendwie haben mich als Österreicher natürlich auch die Berge angezogen. Außerdem kommt meine Frau aus der Gegend. Und so habe ich von 1989 bis 1992 meine ersten Weine für Rippon und andere Weingüter gemacht und dann 1996 Quartz Reef gegründet.

Und wann sind Sie dazu gekommen, Herr Herrick?

Herrick: Wir haben Mount Difficulty 1992 gegründet und die ersten Reben gepflanzt.

Sie haben bei null angefangen?

Herrick: Ja, die ganze Gegend war praktisch eine kalte Wüste mit schäbigen Büschen und jeder Menge Kaninchen.

Und warum haben Sie ausgerechnet dort Reben gepflanzt?

Herrick: Die Leute dachten, wir sind verrückt. Aber für uns wirkte das Land einfach wie die perfekte Umgebung, um temperamentvolle, komplexe Pinot noirs zu keltern. Und wir hatten damit recht. Bei Mount Difficulty experimentieren wir allerdings inzwischen auch mit anderen Sorten: Chardonnay, Riesling, Pinot gris und Chenin blanc. Rudi hat sogar Grünen Veltliner gepflanzt.

Was soll man als Österreicher auch sonst tun!

Bauer: Ja, aber für Merlot, Cabernet Sauvignon oder Syrah ist es bei uns einfach zu trocken und zu kalt.

Diese Rebsorten werden ohnehin kaum angebaut. Laut Statistik wächst in Neuseelands Weinbergen zu 75 Prozent Sauvignon blanc und zu zehn Prozent Pinot noir.

Bauer: Das stimmt, aber im Grunde ist Neuseeland als Weinland außergewöhnlich facettenreich, und es gibt praktisch auch alle anderen Rebsorten. Die beiden Inseln erstrecken sich über 2000 Kilometer, und die klimatischen Bedingungen in den verschiedenen Regionen sind so unterschiedlich wie Europa zwischen Innsbruck und Casablanca. Allerdings ist unser Land von Wasser umschlossen und hat dadurch ein in allen Aspekten moderateres Klima als viele Regionen in Europa hat.

Herrick: Alle neuseeländischen Weinbaugebiete liegen mehr oder weniger an der Küste, nur Central Ortago liegt in der Mitte der Südinsel und hat ein kontinentales Klima.

Bauer: Das absolut perfekt für unseren Pinot noir ist.

Damit haben Sie sich für eine Sorte entschieden, die als Diva gilt.

Herrick: Ich würde sagen, es war andersherum: Die Diva hat sich für uns entschieden. Und wenn Sie einen Schluck von unserem Mount Difficulty Long Gully von 2010 nehmen, dann verstehen Sie, was ich meine: Der Wein hat viel Struktur und Tiefe, ist komplex und großzügig.

Und doch ein typischer Pinot noir.

Herrick: Bendigo und Long Gully sind Single-Vineyard-Weine, also Lagenweine, die sehr gut zeigen, wohin unsere Reise gehen soll: hin zu Tropfen, die nicht nur die Region, sondern den einzelnen Weinberg, die Lage repräsentieren. Denn für uns ist der Weinberg der Held, nicht der Winzer. Ich würde sagen, 95 Prozent unserer Arbeit dreht sich darum, im Weinberg alles richtig zu machen.

Beide Ihre Weine haben einen Schraubverschluss. Gibt es in Neuseeland keine Korken?

Herrick: Nicht mehr. Wir haben zu schlimme Erfahrungen gemacht.

Bauer: Rund um die Jahrtausendwende war es eine absolute Katastrophe. Wir haben von den Jahrgängen 1999, 2000 und 2001 bis zu 20 Prozent unserer Produktion durch Korkfehler verloren.

Herrick: Schon bis 2003 haben dann 98 Prozent aller Winzer in Neuseeland auf Schraubverschlüsse umgestellt, und die Verbraucher haben das sehr schnell akzeptiert.

Das ist auch so, weil Neuseeland ein recht junges Weinland ist, ja?

Bauer: Sicher. Es ist ein klassisches Beispiel dafür, dass wir nicht den ganzen Ballast der Tradition mit uns herumschleppen müssen und dadurch viel flexibler und schneller sind. Allerdings müssen wir auch ehrlich sein und deutlich sagen, dass wir erst am Anfang unserer Reise stehen.

Herrick: Ich denke, wir haben von diesem Status als Newcomer sehr profitiert, weil wir viel experimentieren und ausprobieren konnten und nicht durch alte Gesetzmäßigkeiten und Gepflogenheiten eingeschränkt wurden.

Aber als Newcomer muss man sich auch erst einmal auf dem Markt etablieren.

Herrick: Ja, man muss natürlich einen eigenen Weg finden und den dann gewissermaßen Stück für Stück freischlagen. Aber das kann sehr aufregend sein. Neuseeland ist ein kleines Land mit nur vier Millionen Einwohnern, wir können also unseren Wein gar nicht allein trinken und exportieren deshalb zirka 60 Prozent unserer Produktion, vor allem nach Australien, Großbritannien und Amerika.

Das trifft sich gut. Ich habe hier einen Wein aus Kalifornien: Arroyo Seco Pinot noir 2009 von Scott Familiy Estate. Wie finden Sie den?

Bauer: Der hat eine enorme Wärme, was wahrscheinlich auch mit dem hohen Alkoholgehalt von 15 Prozent zu tun hat.

Herrick: Ja, er hat eine tolle Nase und ist am Gaumen sehr saftig und voll. Sehr attraktiv. Ein klassischer Kalifornier, ein guter Pinot.

Bauer: Und er wäre noch besser, wenn er ein bisschen kühler wäre. Pinot Noir ist nämlich extrem sensibel in Sachen Temperatur.

Welche ist ideal?

Herrick: Kellertemperatur, 14 bis 16 Grad.

Herr Bauer, Sie kommen eigentlich aus der Alten Welt. . .

Bauer: Ja, und ich bin nicht der einzige europäische Weinmacher in Neuseeland. Es gibt einen enormen Wissensaustausch, und das ist längst keine Einbahnstraße mehr. Die Zeiten, in denen die europäischen Winzer Angst vor den Kiwis hatten und dachten, sie wollten ihnen irgendetwas wegnehmen, die sind vorbei.

Vielleicht sollten wir dann mal eine Flasche aus der Alten Welt öffnen. Ich habe einen Bourgogne Pinot noir 2011 von Benoît Ente mitgebracht.

Bauer: Oh, dieser Wein verkörpert mit seiner Fruchtigkeit eher einen Neue-Welt-Ansatz als die klassische Burgunder-Philosophie. Er ist modern und spricht das gleiche Publikum an wie unsere Weine.

Herrick: Ja, aber er ist wirklich nicht mein Fall. Wobei man ihm zugestehen muss, dass er kein Lagenwein ist, sondern ein einfacher Burgunder.

Bauer: Vielleicht kann man es so beschreiben: In Neuseeland wollen wir klare, reine, makellose Weine machen, während Tropfen wie dieser voller Macken sind. Aber nicht im Sinne von Fehlern. Es ist vielmehr das Alte-Welt-Verständnis von einem großen Wein mit Charakter. Wir dagegen wollen puren, sauberen Geschmack.

Herrick: Inzwischen gibt es bei uns in Neuseeland allerdings Winzer, die ihre Weine bewusst mit solchen Macken ausstatten, um ihnen Charakter und ein bisschen mehr Funk zu verleihen.

Dann bin ich aber mal gespannt, was Sie zu diesem Wein von der Ahr sagen: Spätburgunder JS 2009 von Jean Stodden. Hat der auch Macken?

Herrick: Oh, ein köstlicher Wein mit großer Balance und schöner Aromatik, sehr elegant.

Bauer: Ja, ein sehr ausgewogener Tropfen. Kein Wunder, dass man die Ahr auch als das Burgund Deutschlands bezeichnet. Dieser Winzer weiß, wie man mit der Diva umgeht. Und der Wein hat sicher viel Reifepotential.

Haben das Ihre Weine auch?

Bauer: Aus meiner Sicht ist Pinot noir aus der Neuen Welt am besten trinkbar im Alter zwischen sechs und neun Jahren. In diesem Alter hat er immer noch viel Primärfrucht, beginnt aber langsam seine Reifeentwicklung. Sicher kann man diese Tropfen auch länger liegen lassen, aber der Trend geht meiner Meinung nach weg von uralten Weinen, auch im Burgund und sogar im Bordeaux.

Herrick: Die meisten Leute haben doch auch gar keinen anständigen Keller, um solche Weine zu lagern. Sie trinken die meisten Tropfen deshalb in den ersten ein oder zwei Jahren. Und da haben unsere Weine einen riesigen Vorteil: Sie sind von Anfang an sehr zugänglich und müssen nicht reifen, um trinkbar zu werden.

Herr Bauer, Sie machen inzwischen auch Schaumweine.

Bauer: Ja, zwei Cuvées aus Pinot noir und Chardonnay und einen Rosé aus Pinot noir in traditioneller Flaschengärung. Wollen wir ein Schlückchen nehmen?

Ähm, können wir uns das vielleicht für unser nächstes Treffen aufsparen? Nach den fünf Pinots mangelt es mir, ehrlich gesagt, ein wenig an Konzentration.

Bauer: Abgemacht. Wir sehen uns in Neuseeland.