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Rebensaft für Rabbiner

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Immer mehr israelische Weingüter produzieren koscheren Wein, obwohl ihre Besitzer keine orthodoxen Juden sind. Die Käufer dieser Weine leben meist im Ausland.

Am besten lassen Sie die Hände in Ihren Hosentaschen“, scherzt Elad Katz. Die Rebstöcke an dem sanften Abhang oberhalb des Weingutes sind längst gelesen. Während der Ernte musste der junge Kellermeister seine Finger von den Trauben lassen. Auch die Fermentiertanks aus Edelstahl und die 500 Eichenholzfässer, die im Keller stehen, darf er nicht einmal berühren, sobald sie gefüllt sind. Das „Castel“-Weingut in den judäischen Bergen westlich von Jerusalem produziert koscheren Wein. Das bedeutet, dass nur orthodoxe Juden die Trauben ernten und in Wein verwandeln dürfen: Wer den Schabbat nicht heiligt und die jüdischen Gebote nicht einhält, hat auf dem Weinberg und im Keller nichts verloren. Sonst gibt es nicht den Stempel und das Zertifikat eines Rabbiners, der bestätigt, dass gläubige Juden den Wein der „Domaine du Castel“ bedenkenlos trinken können.

Das Weingut, das nach einer Kreuzritterburg in der Nähe benannt ist, gilt als eines der besten in Israel- seine Weine werden überall auf der Welt getrunken. Doch dem Gründer Eli Ben Zaken blieb vor zehn Jahren nichts anderes übrig, als seinen Betrieb den strengen Regeln der Rabbiner zu unterstellen. Dabei sind der Winzer und seine wichtigsten Mitarbeiter gar nicht religiös. Aber Zaken kann auf die Kunden in Israel und in der jüdischen Diaspora nicht verzichten, die auf das „KP“ auf den Etiketten der Flaschen Wert legen. „KP“ bedeutet „Koscher le Pessach“ und zeigt an, dass der Wein den höchsten Ansprüchen genügt. Er darf deshalb auch am jüdischen Pessachfest getrunken werden.

Nur fromme Männer dürfen die Trauben ernten

Auf dem Weingut von Castel musste Zaken deshalb fromme Männer einstellen, die eine Kippa auf dem Kopf tragen. Nur sie dürfen die Trauben lesen, pressen und in Wein verwandeln. Frauen darf er nicht beschäftigen. Der Weingutbesitzer Zaken wie auch sein Kellermeister Katz müssen danebenstehen und können nur Anweisungen geben. Zudem dürfen sie dem Wein keine nichtkoscheren Zusatzstoffe beifügen- alle sieben Jahre müssen die Weinberge zudem ein Sabbatjahr einlegen.

Dem Wein hat das nicht geschadet. Seit 2008 gibt der Weinkritiker Robert Parker den drei besten Castel-Weinen mehr als 90 Punkte. Sie seien „terrific“, schwärmt der Amerikaner. Der „Castel Grand Vin“ war der erste israelische Wein, dem Hugh Johnson, der britische Herausgeber des wichtigsten Weinführers, vier Sterne verlieh. Er besteht aus den Rebsorten Cabernet Sauvignon, Merlot, Petit Verdot, Cabernet Franc und Malbec. Bis zu 24 Monaten reift er in französischen Eichenholzfässern. Trotzdem ist er nicht schwer, sondern hat eine leichte Fruchtigkeit. Der französische Einfluss ist zu schmecken- nach Frankreich exportiert Zaken auch einen großen Teil seiner Weine – bis zu 40 Prozent gehen ins Ausland- auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hat schon bei ihm bestellt.

In Israel selbst war der in der ägyptischen Hafenstadt Alexandria geborene Winzer ein Pionier im besten zionistischen Sinn. Eli Ben Zaken träumte immer davon, eines Tages als Bauer das Heilige Land zu bearbeiten. In Ramat Raziel pflanzte der Autodidakt zwischen seinem Wohnhaus und dem Hühnerstall im Jahr 1988 die ersten Rebstöcke. Vergeblich hatte er damals nach einem guten Wein für sein italienisches Restaurant in Jerusalem gesucht und sich am Ende darangemacht, es selbst zu probieren. Die ersten Versuche waren so vielversprechend, dass er das Lokal aufgab und im Hühnerstall die erste Weinpresse aufstellte. Heute produzieren er und seine beiden Söhne mehr als 100 000 Flaschen im Jahr und leben gut davon.

In den Bergen rund um Jerusalem, deren Abhänge sich von über 900 Meter bis hinunter in die Küstenebene erstrecken, ereignet sich seit dem Ende der neunziger Jahre eine kleine Weinrevolution. Vor fast 2000 Jahren hatten auf den Hügeln Juden schon einmal Wein angebaut, der auch für die Opfer im Tempel von Jerusalem verwendet wurde. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts begannen die ersten Zionisten wieder damit, Rebstöcke zu pflanzen. Lange Zeit hatte dann koscherer Wein aus Israel mit dem Ruf zu kämpfen, er sei ungenießbar süß. Das traf vor allem auf die Weine zu, die zu rituellen Zwecken am Schabbat und an den hohen Feiertagen verwendet werden.

Der Wein könnte auch aus der Toskana kommen

Noch vor wenigen Jahren dominierten drei Großproduzenten – Carmel, Barkan und Golan – den israelischen Markt. Die Eroberung der syrischen Golanhöhen im Jahr 1967 hatte dem israelischen Weinbau neuen Schub verliehen: Auf dem Vulkangestein wachsen Trauben besonders gut. Mittlerweile machen den drei Großgütern aus dem Norden mehr als 200 neue „Boutique“-Weingüter Konkurrenz.

Israel Flam hat jahrzehntelang in der großen Carmel-Kellerei gearbeitet und seinen Söhnen die Begeisterung für den Wein vererbt. Der 69 Jahre alte Winzer studierte als erster Israeli an der Universität von Kalifornien Weinbau. Sein Sohn Golan ging zum Studium nach Italien und sammelte danach erste Erfahrungen in der Toskana. Trotzdem war der Vater erst skeptisch, als seine Söhne Golan und Gilad im Jahr 1998 am Rand des Kedoschim-Waldes in den judäischen Bergen ihr eigenes Weingut eröffneten. Heute ist das Flam-Weingut ein Familienbetrieb, in dem auch der Vater mitarbeitet. Den Weinen ist anzumerken, wo Golan Flam sein Winzerhandwerk gelernt hat: „Classico“ heißt einer der Rotweine. Er ist voll im Geschmack, dabei nicht zu schwer und könnte aus der Toskana kommen. Am Cabernet Sauvignon, dessen Trauben aus den Weinbergen von Obergaliläa stammen, fallen die Fruchtaromen auf. Robert Parker hat einem dieser Weine schon einmal 90 Punkte gegeben.

Die Israelis trinken lieber Bier

„Die israelische Nachfrage ist leider nicht mit der Qualität gewachsen, auch wenn Weinkarten in den Tel Aviver Restaurants einen anderen Eindruck erwecken“, sagt Golan Flam. In Israel bezeichnet man Tel Aviv gerne als eine „Blase“, die mit dem Rest des Landes wenig gemeinsam hat, wo die Israelis lieber Bier trinken. „Franzosen und Europäer trinken zehnmal so viel Alkohol. In ganz Israel werden 50 000 Tonnen Trauben im Jahr geerntet. Diese Menge schaffen in der Toskana fünf Dörfer“, sagt Israel Flam.

Deshalb kann auch Flam nicht ohne den Export überleben, von dem ein großer Teil nach Amerika geht. Dort sind mehr als fünf Millionen Juden zu Hause, viele von ihnen sind religiös. So wurde auch das Weingut Flam vor drei Jahren koscher, und die säkulare Winzerfamilie musste orthodoxe Arbeiter einstellen. „Wenn ein Weingut eine bestimmte Größe erreicht, ist es nicht mehr so wichtig, dass der Winzer die Trauben selbst in die Presse schaufelt. Es ist besser, dass er mehr Zeit zum Analysieren und Experimentieren hat“, meint Israel Flam.

Auf der Fahrt vom Flam-Weingut in Richtung Küste werden die Hügel sanfter. Rebstöcke wachsen neben Olivenbäumen. „Die kleine Provence im Herzen der judäischen Berge“ – so lautet der Werbeslogan des „Mony“-Weingutes unterhalb des Klosters von Deir Rafat. Die Familie Artul verkauft dort nicht nur Wein, sondern auch Olivenöl und Käse. Der Wein reift in Holzfässern in langen Kellern, die zum Teil noch die Mönche des Klosters vor Jahrhunderten in den Fels gehauen haben.

Über die Fässer wacht Sam Soroka. Schakib Artul, der Gründer von Mony, ist stolz darauf, dass er Soroka, den gebürtigen Kanadier, von der Carmel-Kellerei abgeworben hat. Es ist wichtig, sich zu profilieren, denn auch Mony muss exportieren, um zu überleben.

Soroka setzte schon erste Akzente- das ist wichtig, um den Export am Laufen zu halten – beispielsweise mit dem frischen und fruchtigen „Mony Colombard“. Diese Traube hat in Israel bisher wenig Verbreitung gefunden. Das ist nicht die einzige Neuerung bei Mony, dessen Eigentümer arabische Christen sind. Seit 2005 ist der Betrieb koscher. Es ist das einzige arabische Weingut, das sich den Regeln der Rabbiner unterwirft. „Anders geht das nicht mehr“, meint Schakib Artul.