Finanzen

Nagelprobe für die Schwellenmärkte

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JP Morgan Asset Management sieht die aufstrebenden Kapitalmärkte am Scheideweg. Das Wachstum dort wird oft zu teuer bezahlt.

Seit diesem Sommer ist vieles anders geworden. „Die Angst vor einer strafferen Geldpolitik in den Vereinigten Staaten setzt die Schwellenmärkte unter Druck“, sagt Richard Titherington, Leiter Schwellenmärkte der Fondsgesellschaft JP Morgan Asset Management. „Jetzt wird sich zeigen, wie nachhaltig das Wachstum in den wirtschaftlich aufstrebenden Ländern tatsächlich ist.“ Der Engländer verwaltet in verschiedenen Aktienfonds, die auf Schwellenländer ausgerichtet sind, ein Vermögen von rund 48 Milliarden Dollar (etwa 35 Milliarden Euro). Damit ist JP Morgan Asset Management einer der größten Investoren in diesen Ländern.

„Wir hatten einen eher unangenehmen Sommer erlebt“, sagt der Fondsmanager mit typisch britischem Understatement. Im Juni hatte die Ankündigung der amerikanischen Notenbank Fed, möglicherweise die monatlichen Käufe amerikanischer Staatsanleihen zu drosseln und so die Geldpolitik etwas zu straffen, für einen scharfen Kurseinbruch auf den Schwellenmärkten gesorgt. Zusätzlich hatten schwache Währungen in dieser Region für Kursverluste bei internationalen Anlegern gesorgt, die daraufhin begannen, Kapital aus Schwellenmärkten abzuziehen. Der richtungsweisende Index für diese Märkte, der MSCI Emerging Markets, fiel im Juni binnen kurzem von gut 1050 Punkten bis auf 888 Punkte – ein Verlust von rund 15 Prozent in wenigen Wochen. In der Zwischenzeit hat sich der Index zwar auf gut 1042 Punkte erholt. Doch die Skepsis bei vielen Anlegern bleibt.

Die Welt der Schwellenländer umfasst den gesamten Erdball. Zu ihnen zählen Brasilien, Russland, Indien und China – deren Anfangsbuchstaben sogar die Abkürzung der BRIC-Staaten kreierte. Daneben zählen auch osteuropäische Länder wie Polen, Rumänien oder die Ukraine dazu und lateinamerikanische wie Mexiko, Chile und Kolumbien. Das höchste Gewicht im Index fällt auf Asien mit – neben China und Indien – Taiwan, Südkorea oder auch Malaysia. Auch wenn viele andere Schwellenmärkte in den vergangenen Jahren stark aufgeholt haben, bleibt doch China Titheringtons Favorit. Allerdings investiert er nur in chinesische Unternehmen über die Börse Hongkong. Dort gebe es genügend attraktive Unternehmen, so dass er keine zusätzlichen Risiken an den Börsen Shenzhen oder Schanghai eingehen müsse.

„Die Dividende ist für mich entscheidend“

„Die entscheidende Frage ist, ob sich die Schwellenmärkte so weit entwickelt haben, dass sie sich von steigenden Zinsen in den entwickelten Ländern abkoppeln können“, sagt Titherington und zeichnet ein differenziertes Bild der Lage: Die Schwellenmärkte zählen seiner Meinung nach zu den größten Nutznießern der Globalisierung. In ihrer Reformpolitik lägen viele Regierungen zurück – ein Vorwurf, den Investoren vor allem der indischen Regierung machten. Doch Titherington hebt hervor, dass die meisten Schwellenländer sich klar zu einer freien Wirtschaft und offenen Märkten bekennten. Schließlich hätten viele Regierungen, auch die indische, begonnen, die richtigen Adjustierungen einzuleiten, um die Ursachen zu beseitigen, die zu dieser Währungskrise führten. „Das wird zunächst schmerzhaft, aber auf lange Sicht heilsam“, sagt Titherington. Insgesamt blieben die Wachstumsraten in den Schwellenländern somit höher als in Europa oder Nordamerika.

„Die Anleger sollten immer auf die Bewertung achten“, warnt Titherington. „Die meisten Investoren bezahlen zu viel für Wachstum.“ Deshalb sei der Unternehmensgewinn je Aktie für ihn die zentrale Kennziffer. „Der Gewinn je Aktie und die Dividende“, korrigiert sich Titherington sogleich. Viele Fondsmanager folgen ihm nicht bei dieser Einschätzung, auch wenn er in Mark Mobius, dem erfahrenen Schwellenmarkt-Investor der Fondsgesellschaft Franklin Templeton, einen prominenten Unterstützer für diese Ansicht findet. Viele Fondsmanager vertreten die Meinung, dass Wachstumsunternehmen gerade in Schwellenmärkten ihren Gewinn voll für ihr weiteres Wachstum verwenden, schnell Marktanteile gewinnen und rasch expandieren sollten. Die Ausschüttung von Gewinnen an die Aktionäre bremse dieses Wachstum nur. „Die Dividende ist für mich entscheidend“, beharrt jedoch Titherington. „In dieser Hinsicht bin ich ein ganz altmodischer Anleger.“ Er geht sogar noch einen Schritt weiter und meint: „Investoren sollten in Dividendenwachstum investieren.“